Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Kein Platz für Eitelkeite­n

In Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“, der nächsten Premiere in der Düsseldorf­er Oper am Rhein, übernimmt Max Hopp die Sprechpass­agen sämtlicher Solisten.

- VON REGINA GOLDLÜCKE

DÜSSELDORF

Ein derartiger Ruf schallt einer Düsseldorf­er Premiere nur selten voraus. Wenn am 19. Februar Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“im Opernhaus aufgeführt wird, geschieht dies in der sanften Wiege zweier zuvor bejubelter Ereignisse. 2019 wurde die pralle Inszenieru­ng von Barrie Kosky bei den Salzburger Festspiele­n stürmisch gefeiert, im Dezember 2021 dann in der Komischen Oper Berlin – mit neuem Ensemble, so wie jetzt wieder an der Rheinoper. Max Hopp ist als Einziger zum dritten Mal dabei.

Der Schauspiel­er und Sänger gibt nicht den Titelhelde­n, diese Partie übernimmt in Düsseldorf Andrés Sulbarán. Hopp aber bekam als John Styx vom Regisseur die eigentlich­e Hauptrolle – durch einen Kunstgriff: Wann immer die Sänger nicht singen, sondern sprechen, und das tun sie häufig in dieser Operette, bewegen sie nur die Lippen. Bei sämtlichen Texten, von Frauen wie von Männern, hören wir Max Hopp.

Seine Synchronis­ation ist so präzise wie brillant. Man nimmt ihn ständig wahr, obschon er sich als Mitspieler nie in den Vordergrun­d drängt, sondern immer irgendwo auf der Bühne zu finden ist, geradezu beiläufig. „Es braucht die Lust und Freude der Solisten, sich in dieses Korsett zu begeben“, sagt er: „Sie müssen das vorgegeben­e Tempo penibel einhalten. Und das ist hoch, sonst würde keiner lachen. Wir sitzen alle in einem Boot, da fällt jeder Fehler auf. Idealerwei­se sollten wir alle zusammen atmen.“

Platz für Eitelkeite­n sei da nicht, aufs gemeinsame Tun komme es an. Im Grunde habe Barrie Kosky eine zweite Partitur eingefügt, erklärt Hopp. Seine Inspiratio­n? „Das war zunächst eine rein pragmatisc­he Entscheidu­ng. In Salzburg hatten wir ein internatio­nales Ensemble, nicht alle waren des Deutschen mächtig“, antwortet er: „Damit wurde deutlich, dass man die langen Spielszene­n adaptieren musste.“Der Regisseur hatte ihn gefragt: „Willst du den Styx spielen?“Er wollte. Salzburg, na klar! „Aber du spielst alle Rollen“, hieß es. Erst im zweiten Akt taucht Hopp als John Styx auf und darf auch singen – die Arie „Als ich einst Prinz war von Arkadien“.

In gespannter Erwartung ließ er sich darauf ein, die ihm vertrauten Pfade des Musiktheat­ers zu verlassen. Ach ja, und Geräusche wie klackernde Schritte und knarzende Türen macht er bei „Orpheus“auch noch. „Wir haben uns in eine Grauzone begeben und experiment­iert, ohne das Ergebnis zu kennen“, erzählt Hopp: „Barrie ist ein Freigeist, der seine Künstler liebt und sie niemals verurteilt, für keine noch so blöde Idee. Und davon brauchte man einige, um zu diesem Ergebnis zu kommen.“

Seit über einem Jahrzehnt arbeitet er mit dem Intendante­n der Komischen Oper Berlin zusammen. „Einer der interessan­testen, klügsten, herzoffens­ten Regisseure, die ich je kennengele­rnt habe. Der kann alles, und der weiß alles, ohne besserwiss­erisch zu sein. Die Probebühne macht er zu einem angstfreie­n, geschützte­n Raum. So halte ich es übrigens auch“, sagt Hopp.

In den letzten Jahren wandte sich Hopp ebenfalls der Opernregie zu. Ein Offenbach in Hildesheim, eine Barockoper in Mainz, 2022 dann „Così fan tutte“in Luzern. „Wenn man Mozart in den Händen hat, ist man die ganze Zeit am Fliegen“, schwärmt er. Was will er erreichen mit seinen Inszenieru­ngen? „Für mein Empfinden reicht es nicht aus, etwas Schönes und Erhabenes zu singen. Ich will wissen, was die Seele einer Figur ist, und die findet man in der Glaubwürdi­gkeit ihrer Darstellun­g“, beschreibt er: „Das Fasziniere­nde am Theater ist ja, dass die Menschen Geld bezahlen, um sich einer Lüge hinzugeben. Deshalb müssen wir alle so aufrichtig lügen, als gehe es um unser Leben.“

Max Hopp, 1972 in Ost-Berlin geboren, wirkte schon als Jugendlich­er in der Lustspielr­eihe „Ferienheim Bergkrista­ll“im DDR-Fernsehen mit. Nach dem Studium an der Berliner Hochschule für Schauspiel­kunst Ernst Busch war er deutschlan­dweit an vielen Theatern engagiert. Zudem hat er eine beeindruck­end bunte Mischung an Kino- und TVFilmen aufzuweise­n, darunter mehrere Krimiserie­n, der Polit-Zweiteiler „Der Turm“, der Schocker „Der goldene Handschuh“und „Die Spiegel-Affäre“.

Wer dieser Tage den Kölner „Tatort“einschalte­te, konnte Hopp als widerwärti­g aufgeblase­nen Schauspiel­er erleben, der im Swimmingpo­ol eines Kollegen den Tod findet. Er sei dankbar, sich 20 Jahre als freischaff­ender Künstler behauptet zu haben, bestätigt er. Kommen mehrere Verlockung­en gleichzeit­ig auf ihn zu, wonach entscheide­t er dann? „Immer nach dem Lustprinzi­p.“

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FOTO: KOMISCHE OPER BERLIN Max Hopp (r.) spricht sämtliche Dialoge, wenn er nicht gerade als John Styx selbst auftritt.

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