Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Der lange Weg zurück
Die Erkelenzerin Melanie Jansen leidet an Long Covid. Seit knapp 13 Monaten ist sie krankgeschrieben. Mit einer Initiative setzt sie sich für Leidensgenossen ein und kämpft um mehr Aufmerksamkeit für die tückische Krankheit.
ERKELENZ Wie ein Wirbelsturm, der durch ihren gesamten Körper rauschte und dabei vor ihren Organen nicht Halt machte. So beschrieb ihr Hausarzt die Situation. Später dann die Diagnose, die Melanie Jansen traf wie ein Keulenschlag. Long Covid. Von der sportlichen Angestellten eines Geldinstituts zur Dauerpatientin, die nicht weiß, wann sie endlich fit ist. Die 49-Jährige macht nur kleine Fortschritte. Sie wünscht sich, dass es schneller ginge. Endlich wieder am Zumba-Kurs teilnehmen, lange Strecken laufen, in Vollzeit arbeiten. Melanie Jansen ist seit etwa 13 Monaten krankgeschrieben. „Immerhin schaffe ich inzwischen wieder längere Spaziergänge“, sagt sie. Oft fühlt sie sich erschöpft, ist kurzatmig. Seit die Erkelenzerin Weihnachten 2020 an Corona erkrankte, hat sie viel gelernt über das Virus, das so heimtückisch ist und ihr bisheriges Leben komplett auf den Kopf stellte.
„Es ist eine sehr vielschichtige Krankheit, Organe verändern sich.“Unter anderem Herz, Lunge, Magen und Leber könnten befallen sein. Melanie Jansen sei immer vorsichtig gewesen, habe versucht, Kontakte zu vermeiden, Abstand zu halten. Dann plötzlich Herzrasen. Sie stellte etwas an sich fest, das sie vorher nie gekannt hatte. Dazu starke Kreislaufprobleme. „Es fühlte sich komisch an.“Atemnot kam später hinzu, auch Fieber und Schüttelfrost. Melanie Jansen hatte Angst, ins Krankenhaus zu müssen. Starke Schmerzen, Geschmacksverlust. Auch Riechen war jetzt anders. „Mein Lieblingsparfüm mochte ich auf einmal nicht mehr“, erinnert sie sich.
Jansen begann viel über die Krankheit zu recherchieren und beschloss, sich in mehreren Selbsthilfegruppen zu integrieren. Zunächst als Teilnehmerin, mittlerweile moderiert sie sogar eine der Gruppen, in denen Betroffene sich regelmäßig online austauschen. „Manchen ist es unangenehm, über die Krankheit zu sprechen“, hat sie festgestellt. „Man möchte nicht als krank wahrgenommen werden.“Sie ist zu der Erkenntnis gekommen: „Wenn man nicht darüber spricht, können die anderen einen nicht verstehen.“
Die ersten zwei bis drei Tage der Erkrankung seien „wie eine starke Grippe“verlaufen, heftige Kopf-, Muskelund Augenschmerzen. Als sie den Genesenen-Status erhielt, war sie alles andere als gesund. Zunächst wurde Melanie Jansen von extremen kognitiven Störungen geplagt. Sie habe sich sogar orientierungslos gefühlt, habe ihren Körper nicht mehr gut koordinieren können, sei häufig stark erschöpft gewesen.
Ihr Arzt untersuchte Herz und Lunge, stellte Veränderungen fest. „Er nahm das alles sehr ernst.“Drei Monate Schonzeit verordnete ihr der Mediziner zunächst – mit der strikten Auflage: „kein Sport!“. Für Jansen begann das, was sie heute eine „Ärzterallye“nennt. In Wartezimmern sitzen, statt sich wie früher auszupowern bei ihrem Hobby Sport.
Heilpraktiker, Osteopathie und Physiotherapie halfen, einige Symptome zu lindern. Aber sie ist immer noch nicht gesund. Zu den Kollegen hielt sie während der langen Zeit zu Hause Kontakt, aber die Arbeit fehlte ihr. Sie muss weiterhin aufpassen, sich nicht zu überlasten. Erneutes Herzrasen und eine längere
Erschöpfungsphase könnte zum Beispiel dann die Folge sein. Sich lange zu konzentrieren, fällt ihr nach wie vor schwer.
Auch mit plötzlicher Müdigkeit hat sie zu kämpfen. „Ich habe mir den Schritt zurück ins Berufsleben einfacher vorgestellt“, gibt sie zu. Ärztliche Kontrolluntersuchungen haben ergeben, dass ihre Organe nicht dauerhaft geschädigt sind. Aber sie ist ungeduldig, möchte gerne, dass sie schneller wieder gesund ist. „Von Monat zu Monat wird es besser. Das gibt mir Hoffnung. Die Fortschritte sind minimal. Geduld ist dabei die größte Herausforderung.“
Hoffnung gibt ihr auch, dass es immer mehr Studien gibt. Dennoch werde die Krankheit immer noch nicht richtig anerkannt, Long-Covid-Fälle würden in keiner Statistik
auftauchen. Therapien gibt es noch nicht, kostspielige Therapieversuche, etwa Apheresen oder hyperbare Sauerstofftherapie, müssen von den Betroffenen selbst bezahlt werden. Initiativen wie „Long Covid Deutschland“setzen sich bundesweit für die Belange von Betroffenen ein. Die Initiative habe die Moderatoren der Selbsthilfegruppen in NRW zu einem Projekt motiviert, sagt Melanie Jansen.
Man strebe nun eine Vernetzung an, um Informationen allen Betroffenen zugänglich zu machen und sich auf politischer Ebene besser aufzustellen.