Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Die Steuerfrau der Klimapolitik
Die US-Amerikanerin und Chefin von Greenpeace, Jennifer Morgan, wird Sonderbeauftragte im Auswärtigen Amt. Die Union ist fassungslos.
BERLIN Jennifer Morgan war bislang bei jeder internationalen Klimakonferenz dabei, seit das jährlich von der Uno ausgerichtete Treffen 1995 in Berlin ins Leben gerufen wurde. Ob als Direktorin der Global Climate Campaign beim World Wildlife Fund (WWF), als Direktorin des Climate Program bei der Washingtoner Denkfabrik World Resources Institute (WRI) oder seit 2016 als Chefin der Umweltorganisation Greenpeace International: Die heute 55-jährige US-Amerikanerin blickt auf eine 30 Jahre lange Karriere im Kampf gegen den Klimawandel zurück. Die studierte Politikwissenschaftlerin und Germanistin ist in Regierungen und Klimaschutzorganisationen so gut vernetzt wie kaum eine andere Person.
Jetzt soll die Chef-Lobbyistin von Greenpeace – eine Organisation, die immer wieder durch spektakuläre, aber auch teils rechtswidrige Aktionen auf Umweltzerstörung aufmerksam macht – das Gesicht der deutschen Klimapolitik im Ausland werden. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) holt Morgan zum 1. März zunächst als Sonderbeauftragte und später als Staatssekretärin für internationale Klimapolitik ins Auswärtige Amt. „Jennifer Morgan wird als Steuerfrau unsere Klima-Außenpolitik lenken, Partnerschaften mit anderen Staaten in der Welt ausbauen und den Dialog mit der Zivilgesellschaft weltweit führen“, sagte Baerbock bei Morgans Vorstellung am Mittwoch in Berlin.
Ob das gut geht? Eine frühere Lobbyistin im Staatsdienst, die noch im November bei der Klimakonferenz in Glasgow scharfe Kritik an den Beschlüssen übte – und auch der Bundesregierung wiederholt zu wenig ambitionierte Ziele vorwarf? Für Baerbock kein Widerspruch, sondern vielmehr eine Stärke: „Interessensvertretung ist ein wichtiger Bestandteil von lebhaften Demokratien.“
Sie kenne weltweit keine zweite Persönlichkeit mit Morgans Expertise, Vernetzung und Glaubwürdigkeit in der internationalen Klimapolitik, so die Außenministerin. Morgan sei die beste Kandidatin gewesen. Sie selbst sagte in fließendem Deutsch: „Ja, es gibt die Politik, und die Politik ist wichtig. Aber ohne Bewegungen, ohne Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, ohne Aktivistinnen kriegen wir das nicht hin.“Ihren Wechsel in die Bundesregierung nannte Morgan „eine andere Art von spektakulär“.
Morgan kann nicht sofort als Staatssekretärin starten: Ihr Einbürgerungsantrag, den sie bereits vor den Wechselplänen gestellt hatte, ist noch nicht beschieden worden. Ohne deutsche Staatsbürgerschaft kann sie nicht dieses Amt bekommen, bleibt bis dahin also Sonderbeauftragte. Morgan erhält einen außertariflichen Vertrag, der auf die Amtszeit von Baerbock befristet ist.
„Mein politisches Herz schlägt ganz für Deutschland“, sagte die 55-Jährige. Sie lebe seit 2003 hier: „Das ist meine Heimat. Und ich bin Berlinerin.“Morgan ist im USBundesstaat New Jersey geboren. Sie hat aber Verwandte in Deutschland, zeigte sich stolz über Wurzeln in einer Bäckersfamilie aus Münster.
Nicht alle teilen Baerbocks Begeisterung für die Personalie. Die Unionsfraktion tobt: „Es ist bemerkenswert, dass gerade eine grüne Bundesministerin die Grenzen zwischen Staatlichkeit und Lobbyismus so leichtfertig überspringt“, erklärte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jürgen Hardt (CDU). Anti-KorruptionsOrganisationen wie Lobbycontrol oder Transparency International stufen Morgans Berufung als vertretbar ein. „Das Auswärtige Amt muss aber sicherstellen, dass Greenpeace nun keine besonderen Vorteile gegenüber anderen Akteuren in Klimaverhandlungen zugestanden bekommt“, betonte LobbycontrolSprecher Timo Lange.