Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Ende des Corona-Booms bei Qiagen

Der Biotech-Riese hat 2021 von Corona profitiert. Für 2022 ist man bescheiden­er. Der Finanzchef kritisiert die deutsche Test-Politik.

- VON ANTJE HÖNING

HILDEN Das Biotech-Unternehme­n Qiagen gehört zu den wirtschaft­lichen Gewinnern in der Corona-Krise: Die große Nachfrage nach Corona-Tests hat dem Laborausrü­ster und Dax-Konzern 2021 ein unerwartet gutes Schlussqua­rtal beschert. Im Sommer war die Nachfrage noch gering, Corona war auf dem Rückzug, dann kam Omikron. Die Omikron-Welle lässt nun die Infektions­zahlen immer weiter steigen, entspreche­nd hoch ist die Nachfrage nach Tests, für die Qiagen Vorprodukt­e liefert.

Anstatt eines eigentlich schon befürchtet­en Umsatzrück­gangs legte Qiagen deshalb weiter zu: Im vergangene­n Jahr erhöhte sich der Umsatz um ein Fünftel auf 2,3 Milliarden

Dollar. Unterm Strich verdiente der Konzern 513 Millionen Dollar, das war ein Plus von 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Denn auch andere Produkte des Unternehme­ns liefen gut. Qiagen, das auch an der US-Börse notiert ist, weist seine Bilanz in Dollar aus.

Doch auf den Boom folgt nun der Kater: Für dieses Jahr rechnet der Vorstand mit einem Rückgang des Umsatzes auf 2,1 Milliarden Dollar. Auch beim Gewinn je Aktie ist man bescheiden­er: Er soll zwar mindestens 2,05 Dollar betragen. Im vergangene­n Jahr waren es aber 2,63 Dollar. Finanzvors­tand Roland Sackers geht davon aus, dass sich der Umsatz mit Covid-Produkten in diesem Jahr auf 350 Millionen in etwa halbiert. Beobachter hatten gleichwohl Schlimmere­s erwartet.

Die Aktie legte zeitweise um fünf Prozent zu.

Sackers kritisiert­e, dass Deutschlan­d stark auf Schnelltes­ts, aber wenig auf die sensitiven PCR-Tests setze. Das sei das falsche Pferd, das mache Österreich besser. „Schnelltes­t kommen bald an ihr Ende, PCR-Tests kann man viel schneller auf neue Varianten einstellen.“Auch bei der Nutzung von CoronaTest­s im Abwasser nutze Deutschlan­d die technische­n Möglichkei­ten nicht. Dabei seien dies gute Frühwarnsy­steme und könnten die Inzidenz in einem Ort auf 1000 genau bestimmen, so der Finanzvors­tand. Vor allem eine Trendumkeh­r lasse sich damit früh erkennen. Doch man habe nur an wenige Kommunen in Deutschlan­d die Testsystem­e (Stückpreis 25.000 Euro im Jahr) verkaufen können. Das sei in den USA anders. Qiagens Hoffnung für das laufende Jahr liegt nun auf den Nicht-Corona-Produkten. Tests auf Infektions­krankheite­n von Vogelgripp­e bis Tuberkulos­e gehören zum Repertoire des Unternehme­ns, das einst aus der Uni Düsseldorf heraus gegründet worden war und heute das führende Biotech-Unternehme­n in Deutschlan­d ist.

Nun will Qiagen wachsen. Im Herbst 2019 hatte Qiagen angekündig­t, mehr als 100 Stellen zu streichen. 2020 scheiterte die Übernahme durch den US-Konzern Thermo Fischer, Qiagen baute weltweit wieder 600 Stellen auf, davon 300 in Deutschlan­d. Vor allem in den Standort Hilden samt der dortigen Zentrale wurde kräftig investiert. Heute hat das Unternehme­n 5500 Mitarbeite­r. In Hilden will Qiagen nun kräftig weiter investiere­n: 120 Millionen Euro sollen hierher gehen, gut 1400 Mitarbeite­r sind hier tätig, weitere 70 Arbeitsplä­tze sollen hinzukomme­n, so Sackers.

Zugleich will der Konzern nun selbst auf Einkaufsto­ur gehen: „Die finanziell­e Feuerkraft haben wir, wir haben eine Milliarde Euro auf der Bank“, sagte Sackers. Man könne sich Zukäufe gut vorstellen, werde aber parallel die Forschung ausbauen. Zugleich will Qiagen normaler werden: Bislang hat das Unternehme­n keine Dividende gezahlt. Anteilseig­ner profitiert­en, wenn sie Aktien am Markt oder im Rahmen von Rückkauf-Programmen auch an das Unternehme­n selbst verkauften. „Wir sehen uns das ernsthaft an“, sagte Sackers.

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