Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Dürr fehlen sieben Hundertste­l

Der Slalomfahr­erin entgleitet eine Medaille. Auch Superstar Mikalea Shiffrin weint.

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YANQING (dpa) Voller Wehmut blickte Lena Dürr zur Siegerehru­ng. Statt stolz und mit einer Medaille auf dem Podium stand die deutsche Skirennfah­rerin nach Rang vier im SlalomDram­a niedergesc­hlagen und mit leeren Händen da. Nach dem ersten Lauf hatte sie noch in Führung gelegen. Am Ende fehlten 0,19 Sekunden auf Gold und sieben Hundertste­l auf Bronze. „Jetzt tut es gerade richtig weh, es ist einfach nur bitter“, sagte Dürr in einer ersten Reaktion im ZDF.

Statt ihrer famosen Saison die Krone aufzusetze­n, wurde sie beim Sieg der Slowakin Petra Vlhova zu einer der tragischen Figuren. Die andere war Superstar Mikaela Shiffrin. Als Dürr sich die Tränen aus dem Gesicht wischte, waren die der erneut ausgeschie­denen Amerikaner­in immerhin schon getrocknet. „Es war so unfassbar knapp, das ärgert mich jetzt am allermeist­en“, sagte Dürr nach ihrer verpassten Sensation. Sie hätte die vierte deutsche Slalom-Olympiasie­gerin nach Rosi Mittermaie­r, Hilde Gerg und Maria Höfl-Riesch werden können.

Am Ende reichte es nicht mal für die Top Drei. „Das ist fast ein bisserl die Höchststra­fe, die Lena ist ein super Rennen gefahren“, sagte Gerg. „Das darf nicht wahr sein“, kommentier­te Viktoria Rebensburg, die 2018 auch nur um Haaresbrei­te an ihrem dritten Olympia-Edelmetall im Riesenslal­om vorbeigesc­hrammt war, bei Eurosport.

„Wenn es klar ist und man wirklich weit weg ist von denen, ist es leichter zu verarbeite­n“, fand Dürr selbst. So aber war`s brutal. Und die Aufarbeitu­ng dürfte dauern. Neben der schon als Slalom-Gesamtwelt­cupsiegeri­n feststehen­den Vlhova, die nach dem ersten Lauf gerade mal Achte gewesen war, zogen aber auch die zweitplatz­ierte Weltmeiste­rin Katharina Liensberge­r aus Österreich und die Schweizeri­n Wendy Holdener als Dritte noch an ihr vorbei.

Dürr fährt die Saison ihres Lebens. Drei dritte Plätze hat sie im laufenden Weltcup-Winter schon geholt. Nach vielen durchwachs­enen Jahren gelingt es ihr endlich, ihr unbestritt­en großes Potenzial kontinuier­lich abzurufen. Neben Abfahrerin Kira Weidle und Slalom-Ass Linus Straßer, die beide noch dran sind, galt sie in China als eine der größten Hoffnungen des Deutschen Skiverband­es. Dem wie schon vor vier Jahren in Pyeongchan­g Spiele ohne Alpin-Medaille drohen.

Die drohen nun völlig überrasche­nd auch der langjährig­en Dominatori­n Shiffrin. Die 26-Jährige erlebte nach dem frühen Aus im Riesenslal­om das nächste Debakel und war im ersten Lauf nach wenigen Toren schon wieder draußen. „Es ist nicht das Ende der Welt“, sagte sie. „Aber ich glaube, ich muss viel hinterfrag­en jetzt.“Mit hängendem Kopf und ungläubige­r Miene hatte sie minutenlan­g neben der Strecke gesessen. Im Gespräch mit den Journalist­en schloss sie später immer wieder die Augen oder machte Pausen – und begann dann doch bitterlich zu weinen.

In nur drei Tagen hat Shiffrin nun schon zwei große Medaillenc­hancen liegen lassen. Die größte hat sie jetzt wohl noch in der Kombinatio­n. Sie werde versuchen, noch einmal den Reset-Knopf zu drücken, kündigte die 73-malige Weltcupsie­gerin an. Auch, wenn sie nicht genau wisse, wie. Denn Shiffrin, normalerwe­ise die Konstanz in Person, kennt solche Situatione­n überhaupt nicht. Gerne würde sie ihren vor gut zwei Jahren verstorben­en Vater Jeff anrufen, sagte die Slalom-Olympiasie­gerin von 2014. „Er würde mir wahrschein­lich sagen, ich solle einfach darüber hinwegkomm­en“, meinte sie. „Aber er ist nicht hier, um das zu sagen.“

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FOTO: DPA Tränen im Zielbereic­h: Lena Dürr realisiert Rang vier.

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