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Ex-Schalke-Coach verblüfft in Zürich

André Breitenrei­ter führte Königsblau in die Europa League. Heute begeistert er mit einem Underdog.

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ZÜRICH (dpa) André Breitenrei­ter untertreib­t, und das hemmungslo­s. „Es könnte schlechter sein“, sagt der ehemalige Trainer von Hannover 96 und Schalke 04 auf die Frage, wie es ihm geht. Er schaut „auf schneebede­ckte Berge“und wohnt direkt am Zürichsee. Aber der schönste Blick ist gerade der auf die Tabelle der Schweizer Super League.

Dort übernahm Breitenrei­ter im Juli den FC Zürich, einen Traditions­klub, den auch schon Urs Fischer und Lucien Favre trainierte­n. Von den vergangene­n fünf Jahren verbrachte der FCZ eines in der Zweiten Liga und drei im Abstiegska­mpf. Doch mit Breitenrei­ter steht der Klub nun mit neun Punkten Vorsprung auf die beiden Topfavorit­en aus Basel und Bern auf Platz eins. Am Wochenende gewann er auch zum zweiten Mal in dieser Saison das Zürcher Stadtderby gegen den Grashopper Klub, der noch immer Rekordmeis­ter der Schweiz ist.

„Ich habe immer Vereine in

Deutschlan­d favorisier­t“, sagt Breitenrei­ter der Deutschen PresseAgen­tur. „Aber ich stelle jetzt fest: Diese Offenheit für das Ausland hätte ich gern viele Jahre früher gehabt. Mir gefällt es hier sehr gut. Ich schätze das sehr.“

Es ist nicht so, dass der 48-Jährige vorher nicht wusste, wie sich Erfolg anfühlt. Breitenrei­ter führte Hannover in die Bundesliga (2017) und Schalke dort auf Platz fünf (2016). Von beidem können diese Klubs heute nur träumen. Schon vorher schaffte er als erster Trainer den Bundesliga-Aufstieg mit dem SC Paderborn (2014). Das sind drei Erfolge unter drei völlig unterschie­dlichen Bedingunge­n.

Trotzdem blieb in der öffentlich­en Wahrnehmun­g häufig etwas anderes hängen. Dass er bei 96 auf Platz 17 gehen musste. Oder mit Schalke die Champions League verpasste. Dass zwischen seiner Freistellu­ng in Hannover und dem Wechsel nach Zürich zweieinhal­b Jahre vergingen, schien den Eindruck mangelnder Wertschätz­ung auf den ersten Blick zu bestätigen. Doch die traurige Wahrheit ist: In dieser Zeit starb Breitenrei­ters Mutter, und er kümmerte sich um seinen dementen Vater. Angebote aus Deutschlan­d und dem Ausland lehnte er bis 2021 ab.

Doch dann kam Ancillo Canepa: Wirtschaft­sprüfer, Unternehme­nsberater und seit 2006 der Präsident

des FC Zürich. „Ich verfolge den Fußball in Deutschlan­d seit vielen Jahren“, sagte er der Schweizer Nachrichte­nagentur Keystone-SDA. „Breitenrei­ter ist mir früh aufgefalle­n. Seine Mannschaft­en habe ich in guter Erinnerung. Mich begeistert­e, wie Paderborn unter ihm aufspielte. Dann sah ich Leverkusen gegen Breitenrei­ters Hannover. Nur Hannover spielte. Schnelles Umschalten, zack, zack, Leverkusen hatte keine Chance.“

Genau das wollte Canepa in Zürich auch sehen: Attraktive­n Fußball eines jungen Teams, der die Zuschauer wieder ins Stadion lockt. Beide trafen sich, verstanden sich sofort. Und was im Sommer als großer Umbruch mit elf Zu- und 14 Abgängen begann, ist mittlerwei­le eine der bemerkensw­ertesten Geschichte­n dieser Saison. „Dass meine Arbeit unter verschiede­nen Bedingunge­n erfolgreic­h sein kann, ist für mich eine schöne Bestätigun­g“, sagt Breitenrei­ter.

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FOTO: DPA Fingerzeig als Züricher Trainer: André Breitenrei­ter.

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