Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Historie des Sports ist mehr als Borussia
Stefan Lamertz hat die Sportgeschichte der Stadt in einem Buch zusammengefasst. Borussia nimmt dabei zwei Seiten ein.
MÖNCHENGLADBACH Denkt man an Sport in Mönchengladbach, denkt man zuerst an die Borussia. Der Bökelberg, Hennes Weisweiler, Günter Netzer, Berti Vogts, Jupp Heynckes oder neuerdings der Borussia-Park – sie alle haben die Stadt über ihre Grenzen hinaus mit sportlichen Erfolgen bekannt gemacht. Dass die Stadt neben der Borussia aber deutlich mehr an regionaler und überregionaler Sportgeschichte aufweisen kann, hat Stefan Lamertz auf 171 Seiten mit 140 Fotos in seinem Werk „Sport in der Sportstadt Mönchengladbach“zusammengefasst. Es ist das erste Buch des 51-jährigen Mönchengladbachers, der bis 2014 als Geschäftsführer des hiesigen Stadtsportbundes (SSB) tätig war. Inzwischen ist er Sportdirektor beim Deutschen GehörlosenSportverband in Köln.
Dass es überhaupt zu dem Buch kam, liegt vor allem an Christian Wolfsberger, dem verstorbenen Leiter des Stadtarchivs. Bereits in seiner Zeit beim SSB sammelte Lamertz Sportberichte aus Mönchengladbach, 2012 ermutigte Wolfsberger ihn dann, alles zusammen in einem Buch zu bündeln. „Ein Buch zu schreiben, das war erstmal spannend. Das Datensammeln, die Recherche, und wie oft in der Literatur finden sich auch Wiedersprüche, die man genau überprüfen muss“, sagt Lamertz.
Er bediente sich dabei vor allem an den Dokumenten des Stadtarchivs, der Sammlung beim SSB und in den Chroniken der Sportvereine im Stadtgebiet. Dazu hatte Karlheinz Kanis, früherer Geschäftsführer des SSB, von 1966 an bis 2014 sämtliche Zeitungsartikel zum Mönchengladbacher Sport gesammelt. Auch darauf griff Lamertz zurück. Das alles dann in eine Struktur für ein Buch zu bringen, das war für ihn dennoch eine Herausforderung. „Sechs- bis siebenmal habe ich alles komplett umgeworfen, deshalb hat es auch so lange gedauert. Zwischendrin auch mal Pausen, in dem ich ein halbes Jahr gar nicht am Buch gearbeitet habe, um dann wieder anzufangen und vieles umzuschreiben“, sagt er weiter.
Was Lamertz allerdings schnell klar war: Es sollte nicht vordergründig um Fußball gehen, sondern um den Sport insgesamt in der Stadt. Denn für ihn ist das Thema in der Dokumentation der Stadtgeschichte bislang vernachlässigt worden. „Wir haben viele Sportstätten wie das Zentralbad oder die Radrennbahn, die es nicht mehr gibt und die in Vergessenheit geraten. Die gehören aber zur Sportgeschichte der Stadt. Ich möchte die Erinnerung daran wachhalten“, sagt Lamertz.
Das Buch ist chronologisch aufgebaut, hat aber auch Sonderkapitel, die sich unter anderem der Sportpolitik in Mönchengladbach, einzelnen Sportlern oder der Entwicklung des SSB widmen. Zudem geht Lamertz ausführlicher auf einzelne Vereine und Sportveranstaltungen näher ein – beispielsweise die lange Tradition der Trabrennen und der Radrennen im Volksgarten, den German Junior Open im Tennis, die einst Björn Borg oder Boris Becker nach Mönchengladbach lockten, die Schwimmerfolge des
SSV Rheydt oder die Pokal- und Meistertitel des Gladbacher HTC im Hockey.
Die sportlichen Ereignisse bindet Lamertz zu Beginn jedes Kapitels zudem kurz in den Kontext der Stadtgeschichte ein – sei es die Entwicklung Mönchengladbachs zur Kaiserzeit, die Zeit nach den Weltkriegen und als neue Großstadt ab 1975. Das soll der besseren Einordnung dienen, sagt Lamertz.
Das Buch beginnt bei der Turnbewegung im 19. Jahrhundert und mit dem Rheydter Turnverein, der sich 1847 gründete. „Es ist der erste Verein in der Stadt, zumindest in den Aufzeichnungen“, sagt der Autor. Er schließt aber nicht aus, dass es womöglich auch vorher schon Vereine gab. Denn er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit in seinem Buch.
Und dann blieb da noch der Umgang mit dem Thema Borussia. Zusammen mit Herausgeber Helge Kleifeld, Leiter des Stadtarchivs, stand sogar zur Debatte, den Fußballverein ganz wegzulassen. „Über die Borussia gibt es genug Bücher, die sich ausgiebig mit der Geschichte des Vereins beschäftigen“, sagt Lamertz, fügt aber an: „Borussia gehört trotzdem zur Sportgeschichte der Stadt.“Daher finden sich im Buch auch die Geschichten vom Bökelberg, Weisweiler, Netzer, Vogts und Heynckes wieder – kompakt auf zwei Seiten. Denn der Mönchengladbacher Sport hat historisch deutlich mehr zu erzählen.