Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„So muss die Erde ausgesehen haben, bevor Homo sapiens begann, sie zu missbrauchen“
seit der Profi-Glücksspieler David Walsh für viele Millionen das sensationelle Museum of Old and New Art voll provokativer Kunst baute, ist die Insel en vogue. „Das MONA hat Tasmanien auf die Landkarte gesetzt“, sagt Delany.
Reisende aus aller Welt kommen auf die Insel, um die spektakuläre, wilde Natur zu sehen, Austern zu essen und Wein zu trinken. Die Australier selbst schätzen die günstigen Hauspreise. Und Nick Delany weiß nicht recht, wie er das alles finden soll. Der Guide fürchtet, dass die Wildnisgebiete Tasmaniens zu stark erschlossen werden könnten. „Ich liebe sie genau so, wie sie sind“, sagt er. Tatsächlich wurden in den vergangenen Jahren überall auf der Insel Wanderwege verbreitert und Hütten gebaut.
Die „Friendly Beaches Lodge“aber, das Basislager dieser Tour, versteckt sich schon seit knapp 30 Jahren im Wald hinter einem kilometerlangen Strand. Von außen sehen die hölzernen Bungalows schlicht aus. Es gibt kein Betonfundament und keine Isolierung,
William Shakespeare über Tasmanien
keinen Handyempfang und kein W-Lan. Den Strom liefern Solarpaneele, Küche und Kühlschrank laufen mit Gas. Geheizt wird mit Holz. Duschen und Komposttoiletten teilen sich alle Gäste.
Was Reisende an diesen Ort verschlägt, wird als Barfußluxus beworben. Bei Austern und Sekt erzählen sich die Gäste abends am Kaminfeuer, was sie an diesem Tag erlebt haben. Dazu wieselt ein Possum über die Holzterrasse. Nachts hört man die Wellen unten am Strand brechen.
Nick Delany arbeitet gern hier. Für ihn ist die Wildnis des Nationalparks ein einziger großer Spielplatz. Am nächsten Morgen geht es zu einem dieser atemberaubend schönen Plätze, der Whitewater Wall. 70 Meter hoch sind die Klippen. Einen Monat zuvor kletterte Delany sie allein und ungesichert empor. Manchmal, erzählt er, sehe er hier beim Klettern Albatrosse, Robben und Wale. „Einer schwamm wenige Meter unter mir vorbei.“
In der Bluestone Bay gleich daneben beginnt der geheime
Kammweg, den der Veranstalter der Freycinet Experience selbst instand hält. „Wir lassen die Gäste hier ausschwärmen, damit sie keinen erkennbaren Pfad ins Gras trampeln“, erklärt Delany. Zuvor bürstet er sich mit Meerwasser die Stiefel. Der Grund für die Maßnahme: Er will keine Eipilze einschleppen, die Wurzelfäule auslösen.
Mäßig steil geht es einen Waldweg hinauf, der mit Kasuarinen-Nadeln gepolstert ist. Oben angekommen, wandert Delany durch lichten Wald einen Kamm entlang. „Wahrscheinlich ist das eine uralte Route der Oyster Bay Nation“, sagt er. Die Aborigines zogen auf diesem Pfad im Herbst an die Küste, wo das Klima milder ist. „Ihre Frauen rieben sich mit Robbenöl ein und tauchten nach Austern, Muscheln und Krebsen. Wenn sie aus dem Meer kamen, wärmten sie sich inmitten eines Dreiecks aus Lagerfeuern auf.“Die Männer jagten derweil im Busch.
Entspannt führt der Pfad 200 Meter über dem Pazifik die Küste entlang. Immer wieder öffnet sich der Wald für grandiose Ausblicke auf die glitzernde See und die Klippen. Weiß blühende Korallenrauten duften würzig, Haubenlieste flattern auf. Stundenlang schlendert man auf dem zauberhaften Küstenweg
in luftiger Höhe dahin, bis eine Erdstraße zurück ins Flachland führt. Fad wird es deshalb nicht. Man spaziert entlang einer Lagune, auf der eine Armada schwarzer Schwäne dümpelt. Und tritt schließlich hinaus auf einen Strand, der im wahrsten Sinne des Wortes blendend weiß ist.
In den 1990er-Jahren wollte eine Firma den fast reinen Quarz der Friendly Beaches abbaggern. Die Tasmanier protestierten wütend, worauf die Regierung den Nationalpark um den sieben Kilometer langen Strand erweiterte. Die weiße Prachtpromenade blieb intakt.
Das Einzige, was hier heute noch angeschwemmt wird, sind Büschel von Seetang. Ansonsten nur Sand, soweit das Auge reicht, dichter Busch und der weite Pazifik. Dass die „Friendly Beaches Lodge“vom Strand aus nicht zu sehen ist, war eine Bedingung des Nationalparks.
Bis zum Basislager sind es noch ein paar Kilometer. Der tiefe Sand quietscht unter den Stiefeln, der Gegenwind bläst den Wanderern immer wieder die Kappe vom Kopf, die Schritte werden schwer. Selbst für den geübten Nick Delany. Doch ein schönerer Zieleinlauf ist kaum vorstellbar.