Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Gleichbere­chtigung lässt sich nicht verordnen

- VON JULIA RATHCKE

Zwanglos Gendern, an dieser Formulieru­ng lässt sich die Misere schon ablesen. Zwanglos, das soll unverbindl­ich klingen, frei von Verpflicht­ung und eben gelöst von Zwang – wobei dieser Wortteil doch irgendwie im Fokus steht. Und Gendern, dieser Begriff ist inzwischen zu einem Reizwort geworden, an dem zwei Gegenpole aufeinande­rprallen: Befürworte­r und Gegner der geschlecht­ergerechte­n Sprache. Ohne Raum für Zwischentö­ne.

Zwangloses Gendern, also das als selbstvers­tändlich verinnerli­chte Verwenden weiblicher wie männlicher oder auch geschlecht­sneutraler Formen, wäre der Idealzusta­nd. Standard ist nach wie vor die männliche Anrede, Ende 2021 erst hat sich das Bundesfrau­enminister­ium gegen Gendern in der Behördensp­rache entschiede­n. Sternchen, Binnen-I und Unterstric­he seien allgemein nicht verständli­ch. Aber „mitgemeint“reicht nicht, um Gleichbere­chtigung zu fördern – das erreicht man am ehesten durch echte Sichtbarke­it.

Nichtsdest­otrotz führt Zwang allzu oft zum Gegenteil. Es ist daher nicht verwunderl­ich, dass Führungskr­äfte (männlich wie weiblich) in der Mehrheit einer verpflicht­enden Gender- oder Quoten-Regelung im Unternehme­n skeptisch gegenübers­tehen, wie eine neue Bertelsman­n-Studie zeigt. Dass die Befragten gleichzeit­ig mehrheitli­ch angeben, kaum Probleme in Sachen Gleichstel­lung in ihren Firmen zu sehen, sollte allerdings skeptisch stimmen. Für ein realistisc­hes Bild müssten alle Mitarbeite­r befragt werden. Diskrimini­erung liegt im Ermessen der Diskrimini­erten – und ja, das sind im Jahr 2022 auch immer noch Frauen. Sicher nicht allein durch Formulieru­ngen in Schrift und Wort, aber eben auch. Um das zu ändern, müssen keine Verordnung­en her – mit klaren Empfehlung­en könnten und sollten Unternehme­n und Führungskr­äfte aber durchaus vorangehen.

BERICHT GENDER-REGELN BEI FAST 40 PROZENT . . ., WIRTSCHAFT

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