Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Gleichberechtigung lässt sich nicht verordnen
Zwanglos Gendern, an dieser Formulierung lässt sich die Misere schon ablesen. Zwanglos, das soll unverbindlich klingen, frei von Verpflichtung und eben gelöst von Zwang – wobei dieser Wortteil doch irgendwie im Fokus steht. Und Gendern, dieser Begriff ist inzwischen zu einem Reizwort geworden, an dem zwei Gegenpole aufeinanderprallen: Befürworter und Gegner der geschlechtergerechten Sprache. Ohne Raum für Zwischentöne.
Zwangloses Gendern, also das als selbstverständlich verinnerlichte Verwenden weiblicher wie männlicher oder auch geschlechtsneutraler Formen, wäre der Idealzustand. Standard ist nach wie vor die männliche Anrede, Ende 2021 erst hat sich das Bundesfrauenministerium gegen Gendern in der Behördensprache entschieden. Sternchen, Binnen-I und Unterstriche seien allgemein nicht verständlich. Aber „mitgemeint“reicht nicht, um Gleichberechtigung zu fördern – das erreicht man am ehesten durch echte Sichtbarkeit.
Nichtsdestotrotz führt Zwang allzu oft zum Gegenteil. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Führungskräfte (männlich wie weiblich) in der Mehrheit einer verpflichtenden Gender- oder Quoten-Regelung im Unternehmen skeptisch gegenüberstehen, wie eine neue Bertelsmann-Studie zeigt. Dass die Befragten gleichzeitig mehrheitlich angeben, kaum Probleme in Sachen Gleichstellung in ihren Firmen zu sehen, sollte allerdings skeptisch stimmen. Für ein realistisches Bild müssten alle Mitarbeiter befragt werden. Diskriminierung liegt im Ermessen der Diskriminierten – und ja, das sind im Jahr 2022 auch immer noch Frauen. Sicher nicht allein durch Formulierungen in Schrift und Wort, aber eben auch. Um das zu ändern, müssen keine Verordnungen her – mit klaren Empfehlungen könnten und sollten Unternehmen und Führungskräfte aber durchaus vorangehen.
BERICHT GENDER-REGELN BEI FAST 40 PROZENT . . ., WIRTSCHAFT