Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Krach im Kloster

Christen sind schockiert über eine Tanzparty in ihrem Heiligtum in der Türkei.

- VON SUSANNE GÜSTEN

ISTANBUL Kirchenglo­cken ertönen im Kloster Sümela, ihr Klang schwebt hinaus in die verschneit­en Berge an der türkischen Schwarzmee­rküste. Ein schwarz gekleidete­r Mann steht am Altar und lauscht den Glocken – dann fährt er ihren Klang herunter, dreht die elektronis­che Tanzmusik hoch und nickt rhythmisch mit dem Kopf, während seine Gemeinde zu tanzen beginnt. Mit Religion hatte die Feier in dem griechisch-orthodoxen Kloster nichts zu tun: Die Glocken und der Altar dienten der Inszenieru­ng eines Musikvideo­s, das mit Genehmigun­g der türkischen Behörden in dem Bergkloste­r gedreht wurde und den Tourismus ankurbeln soll.

Gegen das „Sakrileg“protestier­te jetzt der Ökumenisch­e Patriarch von Konstanino­pel, das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche, dem die türkische Regierung nur einen Gottesdien­st pro Jahr in Sümela gestattet. Protest gegen die „Schändung“des Klosters legte auch die griechisch­e Regierung ein. Das Kloster Sümela – auf griechisch Soumela – ist wegen seiner dramatisch­en Lage in einer steilen Bergwand weltbekann­t und steht wegen seiner kulturgesc­hichtliche­n Bedeutung auf der vorläufige­n Unesco-Liste des Weltkultur­erbes.

Der orthodoxen Kirche ist es heilig, weil es auf Wunsch der Jungfrau Maria gegründet worden sein soll und eine Marien-Ikone beheimatet­e, die vom Evangelist­en Lukas selbst gemalt worden sein soll. Kulturell ist das Kloster eine Erinnerung an die Jahrtausen­de griechisch­er Geschichte an der Schwarzmee­rküste. Im Zuge der demokratis­chen Reformen der 2000er-Jahre erlaubte die türkische Regierung der Kirche damals, einen Gottesdien­st zu Maria Himmelfahr­t im Kloster Sümela zu feiern, das der Staat seit Gründung der Türkischen Republik als sein Eigentum betrachtet. Fünf Jahre lang durften die orthodoxen Griechen daraufhin alljährlic­h am 15. August in Sümela beten, bis die Erlaubnis mit Verweis auf Restaurier­ungsarbeit­en wieder entzogen wurde – das Kloster sollte als Tourismusz­iel hergericht­et werden. Erstmals nach sechs Jahren durfte Patriarch Bartholomä­us im vergangene­n Sommer dort wieder einen Gottesdien­st feiern. „Uns orthodoxen Christen ist dieses Marienklos­ter heilig und ein spirituell­es Symbol.“

Entsetzt reagierte das Kirchenobe­rhaupt jetzt auf die Aufnahmen von dröhnender Tanzmusik und lässigen Partygäste­n in dem Gotteshaus. Über die „Entweihung“der Kirche, einem „Heiligtum des Ökumenisch­en Patriarcha­ts und Denkmal religiösen und kulturelle­n Erbes“, beschwerte sich der sonst zurückhalt­ende Patriarch in einem Protestsch­reiben an den türkischen Minister für Kultur und Tourismus, Nuri Ersoy. Auch das griechisch­e Außenminis­terium schaltete sich ein. Die Aufnahmen seien „anstößig“.

Der Organisato­r der Dreharbeit­en in dem Kloster zeigte sich überrascht von der Kritik. Er habe Sümela mit dem Video bekannter machen wollen, sagte der türkische DJ Ahmet Senterzi. Bei den Aufnahmen habe er darauf geachtet, die Dezibel zu begrenzen und zu verhindern, dass sich Steine aus dem Felsen oder der historisch­en Kirche lösen. Vor allem habe er für die Dreharbeit­en die Genehmigun­g der örtlichen Behörden in der Provinz Trabzon gehabt, wo das Kloster liegt. Nach Bericht türkischer Medien leitete das Ministeriu­m für Kultur und Tourismus inzwischen Ermittlung­en gegen die Provinzbeh­örden in Trabzon ein, um die Verantwort­lichen für die Genehmigun­g ausfindig zu machen.

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FOTO: DPA Das Kloster Sümela wurde in eine Felswand gebaut.

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