Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Krach im Kloster
Christen sind schockiert über eine Tanzparty in ihrem Heiligtum in der Türkei.
ISTANBUL Kirchenglocken ertönen im Kloster Sümela, ihr Klang schwebt hinaus in die verschneiten Berge an der türkischen Schwarzmeerküste. Ein schwarz gekleideter Mann steht am Altar und lauscht den Glocken – dann fährt er ihren Klang herunter, dreht die elektronische Tanzmusik hoch und nickt rhythmisch mit dem Kopf, während seine Gemeinde zu tanzen beginnt. Mit Religion hatte die Feier in dem griechisch-orthodoxen Kloster nichts zu tun: Die Glocken und der Altar dienten der Inszenierung eines Musikvideos, das mit Genehmigung der türkischen Behörden in dem Bergkloster gedreht wurde und den Tourismus ankurbeln soll.
Gegen das „Sakrileg“protestierte jetzt der Ökumenische Patriarch von Konstaninopel, das Oberhaupt der griechisch-orthodoxen Kirche, dem die türkische Regierung nur einen Gottesdienst pro Jahr in Sümela gestattet. Protest gegen die „Schändung“des Klosters legte auch die griechische Regierung ein. Das Kloster Sümela – auf griechisch Soumela – ist wegen seiner dramatischen Lage in einer steilen Bergwand weltbekannt und steht wegen seiner kulturgeschichtlichen Bedeutung auf der vorläufigen Unesco-Liste des Weltkulturerbes.
Der orthodoxen Kirche ist es heilig, weil es auf Wunsch der Jungfrau Maria gegründet worden sein soll und eine Marien-Ikone beheimatete, die vom Evangelisten Lukas selbst gemalt worden sein soll. Kulturell ist das Kloster eine Erinnerung an die Jahrtausende griechischer Geschichte an der Schwarzmeerküste. Im Zuge der demokratischen Reformen der 2000er-Jahre erlaubte die türkische Regierung der Kirche damals, einen Gottesdienst zu Maria Himmelfahrt im Kloster Sümela zu feiern, das der Staat seit Gründung der Türkischen Republik als sein Eigentum betrachtet. Fünf Jahre lang durften die orthodoxen Griechen daraufhin alljährlich am 15. August in Sümela beten, bis die Erlaubnis mit Verweis auf Restaurierungsarbeiten wieder entzogen wurde – das Kloster sollte als Tourismusziel hergerichtet werden. Erstmals nach sechs Jahren durfte Patriarch Bartholomäus im vergangenen Sommer dort wieder einen Gottesdienst feiern. „Uns orthodoxen Christen ist dieses Marienkloster heilig und ein spirituelles Symbol.“
Entsetzt reagierte das Kirchenoberhaupt jetzt auf die Aufnahmen von dröhnender Tanzmusik und lässigen Partygästen in dem Gotteshaus. Über die „Entweihung“der Kirche, einem „Heiligtum des Ökumenischen Patriarchats und Denkmal religiösen und kulturellen Erbes“, beschwerte sich der sonst zurückhaltende Patriarch in einem Protestschreiben an den türkischen Minister für Kultur und Tourismus, Nuri Ersoy. Auch das griechische Außenministerium schaltete sich ein. Die Aufnahmen seien „anstößig“.
Der Organisator der Dreharbeiten in dem Kloster zeigte sich überrascht von der Kritik. Er habe Sümela mit dem Video bekannter machen wollen, sagte der türkische DJ Ahmet Senterzi. Bei den Aufnahmen habe er darauf geachtet, die Dezibel zu begrenzen und zu verhindern, dass sich Steine aus dem Felsen oder der historischen Kirche lösen. Vor allem habe er für die Dreharbeiten die Genehmigung der örtlichen Behörden in der Provinz Trabzon gehabt, wo das Kloster liegt. Nach Bericht türkischer Medien leitete das Ministerium für Kultur und Tourismus inzwischen Ermittlungen gegen die Provinzbehörden in Trabzon ein, um die Verantwortlichen für die Genehmigung ausfindig zu machen.