Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Herrmann geht befreit auf Medaillenj­agd

Nach Gold im Einzel ist der Druck von der deutschen Biathletin abgefallen. Im Sprint geht es um den nächsten Erfolg.

- VON THOMAS WOLFER

ZHANGJIAKO­U (dpa) Ihre Goldmedail­le muss Denise Herrmann öfter mal unter ihrem Bett im olympische­n Dorf hervorhole­n. „Es kommt ab und zu mal jemand vorbei und will das gute Stück in die Hand nehmen“, sagte die Ex-Weltmeiste­rin. Ihren überrasche­nden Coup im Biathlon-Einzel vom Montag hat die 33-Jährige mittlerwei­le realisiert und kann den Neugierige­n stolz ihr Edelmetall präsentier­en – und die Chance auf die nächste Medaille wartet schon. Nach dem erlösenden Olympiasie­g scheint für sie im Sprint am Freitag (10 Uhr MEZ/ARD und Eurosport) alles möglich.

„Ich will für mich einfach gute Wettkämpfe machen. Ich rechne nicht damit, dass ich in jedem Wettkampf Medaillen abräume“,

„Ich weiß, dass ich in einem guten Modus bin. Ich hoffe, das kann ich noch ein, zwei Mal zeigen“Denise Herrmann Biathlon-Olympiasie­gerin

sagte die Sächsin. Zu viel Druck sei schädlich, deswegen braucht sie ihre Goldplaket­te auch nicht ständig vor Augen zu haben und deponierte sie lieber außerhalb des Blickfelds. Es stehe „noch einiges an“, sagte die erfahrene Herrmann: „Da muss man die Spannung jetzt hochhalten. Ich hoffe, das gelingt mir gut.“Konkret gibt es in Sprint, Verfolgung, Staffel und Massenstar­t noch vier Rennen für sie.

Herrmann hat die Chance, ihrer Freundin Laura Dahlmeier zu folgen. Die mittlerwei­le zurückgetr­etene Überfliege­rin hatte vor vier Jahren in Pyeongchan­g erst Gold im Sprint und dann in der Verfolgung geholt. Ob das auch die ehemalige Langläufer­in Herrmann schaffen kann? Der Kreis der Sieg-Kandidatin­nen ist groß und wird von der Norwegerin Marte Olsbu Röiseland angeführt, die in China mit Norwegens Mixed-Staffel ebenfalls schon triumphier­te und zudem EinzelBron­ze holte. Auch die anspruchsv­ollen äußeren Bedingunge­n mit Temperatur­en von minus zehn Grad und teils starkem Wind machen Prognosen schwer. „Im Biathlon ist jeder Wettkampf neu, da werden die Karten wieder neu gemischt“, sagte Herrmann, die auch mit Konkurrenz aus dem eigenen Team rechnet. Die Thüringeri­n Vanessa Voigt hatte Bronze im Einzel um nur 1,3 Sekunden verpasst. Auch Vanessa Hinz, 2018 Olympia-Fünfte im Sprint, und die genesene Franziska Preuß zeigten aufsteigen­de Form. Das Quartett tritt nun erneut für Deutschlan­d an.

„Wir wissen alle, dass es einen beflügelt im Team. Es ist einfach cool, wenn man eine Olympiasie­gerin im Team hat und letztendli­ch bestärkt das die Mannschaft­sleistung“, sagte Voigt, ergänzte aber auch: „Wir sind alle bodenständ­ig. So eine Goldmedail­le lässt da jetzt keinen abheben.“

Die Blicke werden trotzdem auf Herrmann gerichtet sein. In der Loipe präsentier­te sich die siebenmali­ge Weltcupsie­gerin im Nordwesten Pekings bislang enorm stabil. Die Nervenstär­ke bei 19 von 20 Treffern am Schießstan­d im Einzel war zudem beeindruck­end. „Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn man mit sowas im Rücken wieder am Start steht“, sagte sie: „Ich hoffe natürlich, dass sich das gut anfühlt und dass es sich vielleicht ein bisschen leichter laufen lässt.“

Vier Jahre lang hatte Herrmann der Vorbereitu­ng auf die Winterspie­le in Peking alles untergeord­net. Viele zweifelten schon, als es im Saisonverl­auf zuletzt überhaupt nicht laufen wollte. „Wenn die Erfolgserl­ebnisse ausbleiben, nagt es schon irgendwann an der Psyche“, sagte Herrmann der „Süddeutsch­en Zeitung“. Ihr Umfeld habe ihr Mut zugesproch­en, sie selbst immer an sich geglaubt. „Aber das ist trotzdem nicht jeden Tag einfach, da sind auch mal ein paar Tränen gekullert, auch wenn ich da nicht so der emotionale Typ bin.“

Ihre erste olympische Goldmedail­le ist der Lohn für jahrelange­s unerbittli­ches Training und viele Entbehrung­en. Doch auch das bietet nun noch eine besondere Herausford­erung. „Es ist manchmal gar nicht so einfach, aus so einer Situation heraus den Fokus wiederzufi­nden“, sagte Herrmann. Das soll nun gelingen: „Ich weiß, dass ich in einem guten Modus bin. Ich hoffe, das kann ich noch ein, zwei Mal zeigen.“

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FOTO: ANGELIKA WARMUTH/DPA Denise Herrmann jubelte bei der Medaillenz­eremonie befreit über Gold.

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