Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Erfahrung schlägt Jugend

Abfahrts-Bronze mit 41 Jahren, Olympiasie­gerin mit 35 – in Peking steht in vielen Diszipline­n eine Generation aus dem vergangene­n Jahrtausen­d auf dem Podest. Ihr kommt bei den ungewöhnli­chen Spielen ihre Routine zugute.

- VON WOLFGANG MÜLLER

PEKING (dpa) Der deutsche Rodler Johannes Ludwig triumphier­t als ältester Athlet auf der Bahn, die GoldGewinn­erinnen Denise Herrmann und Natalie Geisenberg­er sind auch keine Teenager mehr – und in der Abfahrt rast ein 41 Jahre alter Franzose zu Silber. Bei den Olympische­n Spielen trifft sich die Jugend der Welt, doch es gewinnen auch gerne die Alten im Feld. „Ein bisschen Erfahrung schadet nicht“, sagte die 33 Jahre alte Biathletin Herrmann nach ihrem sensatione­llen Lauf zu Gold über 15 Kilometer. Klar, die 18 Jahre alte Ski-Freestyler­in Eileen Gu ist schon jetzt eines der Gesichter der Winterspie­le von Peking. Auch ihr 17 Jahre alter Landsmann Su Yiming wird für Silber im Slopestyle gefeiert. Doch oft genug jubelt Ü30.

Kommt es angesichts der Bedingunge­n bei diesen Pandemie-Spielen in einigen Bereichen noch mehr als sonst auf Routine an? Wiegen Erfahrung und die Gelassenhe­it des Alters in diesem Jahr möglicherw­eise mehr als jugendlich­e Unbekümmer­theit und Draufgänge­rtum? Zumindest lieferte die erste Woche in China einige prominente Beispiele fürs viel zitierte „Oldie, but Goldie“.

Bei einem der absoluten Klassiker, der Herren-Abfahrt in den Bergen

von Zhangjiako­u, standen nur Athleten jenseits der 30 auf dem Podium. Gold ging an den Schweizer Beat Feuz (34), Bronze holte der Österreich­er Matthias Mayer (31) – und Silber Johan Clarey. Der 41 Jahre alte Franzose krönte sich zum ältesten Skirennfah­rer, der jemals eine Olympia-Medaille gewonnen hat. „Clarey immer jünger“, schrieb die französisc­he Zeitung „L`Equipe“auf ihrer Titelseite.

„Meine Mutter sagte immer, dass ich in meinem Leben für alles länger gebraucht habe, fürs Gehen, Sprechen lernen. Das gilt vermutlich auch für meine Ski-Karriere“, sagte Clarey, der noch nie ein Weltcup-Rennen gewonnen hat. Eine Premiere feierte auch Skispringe­r Manuel Fettner im zarten Alter von 36 Lenzen. Seit 21 Jahren springt der Österreich­er und holte nun seine erste Einzelmeda­ille bei einem Großereign­is. Silber honorierte auch dessen Konkurrent Markus Eisenbichl­er. „Megageil, das freut mich voll. Mit dem bin ich schon lange unterwegs, ich habe ihm die Daumen gedrückt. Er ist im Sommer noch im Continenta­l Cup gehüpft und jetzt: Respekt!“, sagte Eisenbichl­er,

auch schon 30, aber bislang ohne Peking-Plakette.

Mehr denn je profitiere­n bei diesen von der Corona-Pandemie überlagert­en Spielen die Routiniers von Eigenschaf­ten wie Disziplin oder Geduld. Auch Erfahrunge­n im Umgang mit Beeinträch­tigungen des Alltagsleb­ens helfen den Oldies.

Im Sliding Centre Yanqing war der 35 Jahre alte Ludwig älter und schneller als all seine Konkurrent­en. Seine ein Jahr jüngere Kollegin Geisenberg­er ist seit Mai 2020 Mutter eines Sohnes und kokettiert­e mit ihrem Alter, als sie sagte: „Meine Medaille ist fitter als ich.“Selbst in einer Sportart wie Snowboard zeigte die Amerikaner­in Lindsey Jacobellis (36) der Konkurrenz, wie es geht und holte Gold.

Die niederländ­ische Eisschnell­läuferin Ireen Wüst (35) sagte nach ihrem sechsten Gold bei fünf Olympische­n Spielen: „Alter ist nur eine Zahl, oder? Es geht darum, wie man sich fühlt.“Dass in ihrer Ausdauersp­ortart sogar Altersreko­rde möglich sind, unterstric­h die RekordOlym­pionikin Claudia Pechstein. Sie wird zwei Tage nach dem Ende der Peking-Spiele 50 Jahre alt.

„Meine Medaille ist fitter als ich“Natalie Geisenberg­er Rodel-Olympiasie­gerin

 ?? FOTO: WANG FEI/XINHUA/DPA ?? Ireen Wüst (r.) aus den Niederland­en gewann mit 35 Jahren ihre sechste Goldmedail­le bei Olympische­n Spielen.
FOTO: WANG FEI/XINHUA/DPA Ireen Wüst (r.) aus den Niederland­en gewann mit 35 Jahren ihre sechste Goldmedail­le bei Olympische­n Spielen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany