Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Die Femme Fatale des Funk

Die legendäre Soulsänger­in Betty Davis ist im Alter von 76 Jahren gestorben.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Die amerikanis­che Funk-Musikerin Betty Davis ist gestorben, und wer sie nicht kennt, sollte sich unbedingt mit ihrem Werk und Leben beschäftig­en. Man hätte sonst etwas verpasst. Davis ist eine jener fasziniere­nden Figuren des Pop, die kein großes Publikum erreichten, aber enormen Einfluss auf den Sound ihrer Zeit hatten. Sie war einfach ein bisschen zu früh dran.

Sie wurde als Betty Mabry in North Carolina geboren, und sie schrieb bereits mit zwölf Jahren erste eigene Songs. Mit 16 ging sie nach New York, modelte, und wenn sie feierte, schwirrten die Jungs mit den Noten im Kopf um sie herum: Jimi Hendrix, Carlos Santana und all die anderen. Irgendwann traf sie Miles Davis, er war 19 Jahre älter und etwas aus der Zeit gefallen. Er war Feuer und Flamme für sie, obwohl sie ihn zunächst gar nicht gemocht haben soll, und er ließ sich von ihr mit dem Sound der Gegenwart infizieren: Funk, Rock, Soul. James Brown, Hendrix, Sly & The Family Stone.

Miles Davis veröffentl­ichte 1968 das Album „Filles de Kilimanjar­o“: Auf dem Cover war des Gesicht von Betty Fabry zu sehen, und in den Rillen

lag ein neuer Klang. Miles war wieder cool: Von Betty inspiriert, begann er seine visionäre elektrisch­e Phase, als deren Höhepunkt die Doppel-LP „Bitches Brew“aus dem Jahr 1970 gilt. Eine Jazz-Revolution, ausgelöst von Betty. „Betty öffnete Miles die Augen“, sagte Herbie Hancock.

Betty und Miles heiraten, es ging wild her, wie man hört, er warf ihr schließlic­h vor, etwas mit Hendrix zu haben, und nach einem Jahr war die Ehe am Ende. Aber sie blieben einander verbunden, und Miles mahnte: Nimm deine Musik auf, veröffentl­iche eigene Alben. Zwischen 1973 und 1975 brachte Betty Davis drei Platten heraus, von denen vor allem die mittlere, „They Say I'm Different“, ein Meisterwer­k ist.

Zu hören ist eine Musik, die deutlich vom Blues geprägt wurde, die dunkel groovt, manchmal roh rockt und dann wieder edel leuchtet. Dazu faucht und stöhnt und quietscht und flüstert Betty Davis ihre Texte, in denen sie das damals gängige Frauenbild mit schwerem Hammer zertrümmer­t. Das ist Funk, scharf serviert, und der Sound und die selbstbewu­sste Art, wie Davis ihn darreichte, beeinfluss­ten später Prince und Madonna.

In den 70ern wollte allerdings kaum jemand die Alben hören, und Betty Davis zog sich bald zurück. Immer mal wieder wird sie von einer neuen Generation entdeckt, der Hip-Hop verdankt ihr viel. Wenn man Musikerkol­legen über sie sprechen hört, beschreibe­n sie eine Frau, in deren Gegenwart man Lust aufs Leben bekam, aufs Da-Sein. Diesen Eindruck vermitteln auch ihre Platten. Sie war die Femme Fatale des Funk.

Betty Davis wurde 76 Jahre alt.

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FOTO: ANTHONY BARBOZA/GETTY Betty Davis auf einem Foto aus dem Jahr 1969.

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