Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Gladbach bleibt gerade zu Hause der Favorit“
Der Ex-Borusse spricht über seine Rückkehr mit dem FC Augsburg und Max Eberls Rücktritt als Manager.
André Hahn, wenn wir Ihnen zu Beginn der Saison gesagt hätten, dass der FC Augsburg mit einem Sieg am 22. Spieltag Borussia Mönchengladbach überholen kann, hätten Sie sicher eingeschlagen.
HAHN Damit hätte ich wirklich nicht gerechnet. Es ist schon verwunderlich, wo Gladbach mit dieser Qualität im Kader derzeit steht.
Mit einigen Profis wie Lars Stindl, Christoph Kramer und Jonas Hofmann haben Sie noch zusammengespielt. Als Ex-Borusse dürften Sie besonders verblüfft sein.
HAHN Natürlich sind noch einige da, die ich kenne. Aber auch die anderen haben in den vergangenen Jahren gezeigt, was sie können. Diese Saison bekommen sie es nur nicht so auf den Platz, wie sie es sich wünschen.
In den vergangenen drei Duellen mit Borussia gab es zwei Siege und ein Unentschieden für den FCA. Am vergangenen Wochenende haben Sie gegen Union Berlin gewonnen, das zuvor Gladbach geschlagen hatte. Einverstanden, wenn man Augsburg sogar eine leichte Favoritenrolle zuschieben würde?
HAHN (lacht) Nein, die würde ich nicht annehmen. Gladbach hat ganz andere Ambitionen als wir, einen sehr starken Kader. Warum Sie das nicht zeigen dieses Jahr, kann ich nicht beurteilen. Am Ende der Saison vor Gladbach zu stehen, würden wir sicher unterschreiben, Gladbach selbst sicher weniger. Aber gerade im Heimspiel bleiben sie der Favorit.
Wenn wir auf die Aufstellung gegen Union schauen: André Hahn, Michael Gregoritsch, Florian Niederlechner, dazu auf der Bank Markus Weinzierl als Trainer – ist der alte FCA wieder da?
HAHN Wir arbeiten zumindest dran, dass der zurückkommt. Oftmals haben wir es diese Saison schon gezeigt, aber keine Konstanz reinbekommen. Manchmal war nur eine Halbzeit gut, aber nicht 90 Minuten. Gegen Union haben wir es wieder geschafft. Markus Weinzierl macht hier super Arbeit, wir haben auch einen sehr guten Kader. Es wird immer besser von den Abläufen her. Das wollen wir jetzt möglichst in jedem Spiel abrufen.
Was für ein Spiel dürfen wir am Samstag erwarten? Der Stil des FCA mit langen Bällen, Kampf um den zweiten Ball und viel Mannorientierung ist keine Überraschung mehr, trotzdem tut sich Borussia häufig sehr schwer.
HAHN Dem Gegner das Leben schwer zu machen, aggressiv zu sein, Zweikämpfe zu gewinnen – das ist unsere Art, Fußball zu spielen. Gegen Union haben wir einen guten Mittelweg gefunden mit spielerischen Elementen. Davon wollen wir immer mehr, aber unsere Tugenden werden wir nicht beiseitelegen. Leidenschaft, Herz, den Willen – das müssen wir als FCA auf den Platz bringen, um bestehen zu können, auch am Samstag.
Dass diese Tugenden oft vermisst werden, ist in Gladbach ein Thema dieser Saison. Sie sind 2014 auch deshalb gekommen, weil Sie für diesen unbändigen Einsatz stehen. Nun ist Max Eberl, der Sie damals geholt hat, zurückgetreten. Wie haben Sie das aus der Ferne wahrgenommen?
HAHN Ich kenne Ihn natürlich sehr gut und hatte auch kurz persönlichen Kontakt zu ihm. Ich finde es total normal und menschlich, dass eine Person diesen Schritt geht, wenn sie am Limit ist. Die Leute, die das nicht verstehen, kann ich nicht verstehen. Er hat wahnsinnig viel geleistet, den Verein geformt und eine neue Ära geschaffen. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem er nicht mehr konnte. Wir sind alle Menschen, die ein gesundes und glückliches Leben führen wollen. Dazu gehört auch, sich seine Auszeiten zu nehmen. Deswegen ziehe ich meinen Hut vor ihm und wünsche ihm alles, alles Gute.
Sie waren damals einer dieser typischen Eberl-Transfers: Ein entwicklungsfähiger Spieler kommt dank einer Klausel günstig von einem kleineren Klub und der Wechsel wird zeitig eingetütet.
HAHN Gladbach war sehr früh dran, das ist richtig. Sie waren allerdings nicht die Ersten. Aber so wie Max als Mensch ist, das hat mich einfach überzeugt. Er ist ein guter Typ, kann gut reden, findet den Mittelweg aus Spaß und Ernst. Seine Art und seine Aura haben viel ausgemacht. Ich denke, das ist auch der Grund, warum er sehr oft die Spieler bekommen hat, die er haben wollte.
2015 war Lucien Favres Rücktritt eine Zäsur, im ersten Spiel unter André Schubert gab es gegen Augsburg ein 4:2 nach 4:0-Führung, sie wurden eingewechselt. Wie sind Ihre Erinnerungen an diese Zeit?
HAHN Wir hatten null Punkte nach fünf Spielen, unter André Schubert haben wir einen Lauf begonnen, der wieder bis in die Champions League führte. Dieses Spiel war der Befreiungsschlag. Wir hatten nicht viel Selbstvertrauen, Schubert kam aus der U23 und hat uns gepackt bekommen, indem er wieder viel Spaß und Freude reingebracht hat. Wir sind dann richtig marschiert.
Sie fielen jedoch mit einer schweren Verletzung nach einem üblen Foul lange aus. Ist Ihre Bindung zu Borussia aufgrund dieser Zeit eine besondere?
HAHN Ich erinnere mich am liebsten an die schönen Momente, an die Siege, an das Stadion, an die Fans. Aber ich war einmal richtig schwer verletzt in meiner Karriere, das war leider in Gladbach. Und das blendet man natürlich nicht aus, das ist im Kopf noch drin, aber nicht im negativen Sinne. Dafür war die Zeit zu schön, zu erfolgreich und zu lehrreich.
Sie werden dieses Jahr 32, Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Wie ist da der Stand?
HAHN Das ist richtig. Bislang hat es noch keine konkreten Gespräche gegeben. Deshalb werde ich schauen, wie es weitergeht. Mein klarer Plan ist, noch zwei, drei Jahre Fußball zu spielen. Dafür werde ich alles tun. Doch jetzt stehen erst einmal die Aktualität und unser Klassenerhalt im Vordergrund.
Ist Augsburg für Sie als Nordlicht inzwischen die zweite Heimat?
HAHN Ich fühle mich sehr, sehr wohl hier. Augsburg ist eine tolle Stadt mit tollen Leuten. Ich habe mich auch bewusst dafür entschieden, wiederzukommen, weil ich weiß, was ich hier habe.
Aber in Gladbach zu Gast zu sein, ist auch immer wieder schön?
HAHN Auf jeden Fall. Wir haben noch ein paar Freunde dort. Unser Haus in der Nähe haben wir damals gekauft und dann vermietet. Deshalb verschlägt es uns immer mal wieder dorthin. Und im Borussia-Park zu sein, ist genauso schön – am Samstag hoffentlich mit einem guten Ende für uns.
INTERVIEW: JANNIK SORGATZ