Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Wenn Spielausfälle zur Normalität werden
Der Handball in der Region erlebt coronabedingt derzeit mehr Absagen als Spiele. Besserung ist kurzfristig nicht in Sicht. Inzwischen sind auch die Vereine uneins darüber, ob und wie die Spielzeit angesichts der zahlreichen Nachholspiele weiterlaufen soll
HANDBALL Am vergangenen Donnerstag verschickte der TV Korschenbroich am Nachmittag eine Pressemitteilung. Titel: „TVK nimmt den Spielbetrieb nach zweiwöchiger Pause am Samstag wieder auf.“An den Wochenenden zuvor hatte der Verein coronabedingt aussetzen müssen, nun sollte es gegen den HC Weiden zurück auf die Platte gehen. Doch bereits am Donnerstagabend meldete sich Weiden mit der Bitte, auch diese Partie zu verlegen. Es gebe Corona-Fälle in der Mannschaft.
Für den TVK ist es die dritte Partie, die nun nachgeholt werden muss. Für Weiden ist es gar die fünfte Absage. Diese Zahlen sind inzwischen die Regel, keine Ausnahme. In der Oberliga fand am Wochenende beispielsweise nur ein Spiel statt. Die restlichen fünf fielen coronabedingt aus.
Das Thema begleitet den Handball seit einigen Wochen: Reihenweise fallen Spiele aus, die irgendwann später im Spielplan integriert werden müssen. Die Wochenenden sind zumeist schon durch reguläre Spielansetzungen belegt, bleiben also nur Termine in der Woche. Dass das irgendwann eng wird, zeigt sich bei Korschenbroich. „Wir haben nun zwei der drei Nachholspiele terminiert, am 23. März und am 6. April. Das sind Mittwochsspiele, also englische Wochen für uns“, sagt Klaus Weyerbrock, Sportlicher Leiter im Verein. „Weiden hat sich nun gemeldet und wollte unser drittes Nachholspiel am 31. März terminieren. Dann hätten wir aber drei englische Wochen hintereinander. Das ist zu viel“, sagt Weyerbrock weiter. Zum einen wegen der Belastung für die Sportler. Zum anderen aus Wettbewerbssicht: Spieler, die verletzt oder in Quarantäne sind, fehlen dem Verein dann gleich für mehrere Pflichtspiele.
Die Anzahl der Ausfälle ist aktuell im Spielplan noch einigermaßen zu handhaben. Allerdings ist mit zahlreichen weiteren Absagen in den kommenden Wochen zu rechnen. Kann der Spielplan das aushalten? Der Handballverband Niederrhein (HVN) meint: ja. Die Spiele müssten dann in der Woche stattfinden, zwei Spiele am Wochenende seien ebenfalls möglich, wenn die Vereine das wollen, heißt es vom HVN. Der Verband hofft auf eine Besserung bei den Infektionszahlen ab März. Dann
könnte der Spielbetrieb größtenteils lückenlos erfolgen und der Berg an Nachholspiel abgebaut werden. „Wir versuchen, die Spiele durchzubekommen. Ich sehe gute Chancen, die Saison zu beenden“, sagt Ernst Wittgens, Präsident des HVN. Eine Saisonunterbrechung oder gar ein Abbruch ist kein Thema.
Eine Verlängerung der Spielzeit ist ebenfalls keine
Option. Die Saison im Verbandsgebiet geht regulär bis zum 15. Mai. Die Meldefrist für die kommende Spielzeit, bis zu der alle Ab- und Aufsteiger feststehen müssen, endet laut Verband zwei Wochen später – bis zu diesem Zeitpunkt kann theoretisch gespielt werden. Die Meldefristen setzt jeder Verband eigenständig für seinen Spielbetrieb fest – jeweils im Rahmen des Spieljahres bis zum 30. Juni. Und aktuell sieht der HVN keinen Grund, am Zeitplan etwas zu ändern. Eine Ausnahme ist die Regionalliga, die durch Auf- und Absteiger an die 3. Liga gebunden ist, die wiederum in die Zuständigkeit des
Deutschen Handballbundes (DHB) fällt. Für diese Liga hat der DHB die Meldefrist nun auf den 27. Juni nach hinten verlegt. Also kann theoretisch auch die Regionalliga solange spielen. Der Handballverband Niedersachsen ist ebenfalls einen Schritt weiter: Dort ist der Spielplan für die Ober- und Verbandsligen bereits bis zum 12. Juni verlängert worden.
Dabei wären auch einige Vereine im HVN-Gebiet offen für eine Saisonverlängerung. Für Siegfried Wagner, DamenTrainer des Landesligisten HSV Wegberg, wäre zudem eine Unterbrechung der Spielzeit sinnvoll gewesen. „Wir hätten Ende Januar die Hinrunde abgeschlossen und wären dann nach Karneval wieder einsteigen. Die ausgefallenen Spiele hätten wir hinten drangehangen“, sagt er. Unter anderem die Handballverbände aus Schleswig-Holstein und Hamburg hatten im Januar ihre Spielzeit unterbrochen. Es gibt aber auch Gegenstimmen wie die von Volker Hesse, Trainer des Verbandsligisten
TSV Kaldenkirchen. Er merkt an, dass viele Spieler ab Juni bereits andere Pläne haben – beispielsweise durch Urlaub oder Dienstverpflichtungen. Diese Spieler ständen dann nicht mehr zur Verfügung.
Angesichts der vielen Spielausfälle sind die Vereine auch uneins darüber, ob und wie die Saison fortgesetzt werden soll. Hesse sagt: „Mir fehlt die Perspektive. In den nächsten Wochen ist keine Besserung in Sicht, es werden weitere Spiele ausfallen. Wann ist da eine Grenze erreicht?“Noch deutlichere Worte findet Felix Linden vom Kaldenkirchener Ligakonkurrenten TuS Lintof. „Der Spielbetrieb ist in der aktuellen Form nicht praktikabel. Ich bin für eine Saisonwertung nach der Hinrunde oder spätere Playoffs, aber es muss eine Lösung geben“, sagt er.
TSV-Trainer Hesse wundert sich zudem, dass der Verband in der aktuellen Situation die Mannschaften nicht kontaktiere, um deren Meinung abzufragen. Der HVN sagt dazu, dass im Januar die Vereine auf Kreisebene befragt wurden – dabei hätten sich zwei Drittel für die Fortführung der Saison ausgesprochen. Klaus Weyerbrock vom TVK findet den diplomatischen Mittelweg: „Wir müssen abwarten, bis die Infektionszahlen wieder etwas heruntergehen. Dann sehen wir, wie viele Spiele ausgefallen sind und ob man die noch alle unterbekommt.“
Drei Nachholspiele schleppt inzwischen auch der TV Lobberich mit sich herum. Zuletzt bestritt man im Dezember eine Ligapartie. Trainer Christopher Liedtke ist froh, wenn sein Team überhaupt mal wieder spielen kann. Er ist ebenfalls offen für eine Saisonverlängerung, wenn der Spielplan es nicht anders hergibt. Von einem Saisonabbruch hält er nichts und kann sich auch mit Spielen unter der Woche anfreunden: „Ob am Dienstagabend nun ein Training oder ein Spiel ansteht, ist vom Prinzip auch nicht so viel anders“, sagt er. Abgesehen vom Reiseaufwand, fügt er an. „Hauptsache wir können spielen. Das sagt auch die Mannschaft.“Noch steht die Partie der Lobbericher am Wochenende gegen Homberg im Spielplan. Das gilt auch für die Partie des TV Korschenbroich gegen Aachen. Der TVK schickte auch diesen Donnerstag eine SpielAnkündigung. In der Hoffnung, dass sie dieses Mal Bestand hat.
„Mir fehlt die Perspektive, es werden weitere Spiele ausfallen. Wo ist da die Grenze?“
Volker Hesse Trainer TSV Kalndekirchen