Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Aufgepasst bei „Woke-Posts“
Unser Autor hat sich Gedanken gemacht über Info-Posts und Solidarisierungsbekundungen im Netz. Oft seien sie zwar gut gemeint, aber inhaltlich fehlerhaft. Statt gründlicher Recherche dominiere viel zu häufig der Gruppenzwang.
Dieser Tage lässt sich in sozialen Netzwerken ein altbekanntes Phänomen beobachten: Wegen der aufgeladenen (geo-)politischen Entwicklungen sieht man wieder vermehrt Infoposts und Solidarisierungsbeiträge in den sozialen Netzwerken. Dabei handelt es sich beispielsweise um Erklärbilder, die komplexe politische oder soziale Sachverhalte aufdröseln und verständlich machen sollen. Auffällig dabei: Viele dieser Posts kommen von Usern, die sich im wahren Leben oft eher unpolitisch zu erkennen geben. Kommilitonen oder Bekannte, die, darauf angesprochen, eher ratlos zu sein scheinen. Manche von ihnen können ihre eigene politische Haltung zu diesen Themen gar nicht richtig erklären.
Nun ist es zugegebenermaßen eine Herausforderung, den Nahostkonflikt mal eben in drei InfoSlides auf Instagram darzulegen oder die Situation an der ukrainischen Grenze zu Russland inklusive Vorgeschichte um Krim-Krise und Nato-Osterweiterung in einem Tweet zu erläutern. Und natürlich existieren auch Infoposts, die mehreren Fakten-Checks unterzogen wurden, quellenbasiert und damit valide sind. Dennoch weisen viele andere solcher Beiträge auch unzureichend belegte
Quellen und haarsträubende, inhaltliche Fehler auf. Kurz gesagt: Es kursieren Fehlinformationen.
Bei vielen Posts fällt auf, dass sie einen aktivistischen Hintergrund haben, was nun erst einmal alles andere als verwerflich ist. Allerdings laufen gut gemeinte Beiträge von Privatpersonen dadurch Gefahr, für „die Sache“auch inhaltliche Unzulänglichkeiten in Kauf zu nehmen. Hierbei ist dann der User gefragt, der eher selten nachrecherchiert und lieber drauflos teilt. Da schwingt dann manchmal auch ein gewisser Gruppenzwang mit. Wer Beiträge von #Metoo oder #Blacklivesmatter teilt, ist moralisch eben auf der sicheren Seite. Wer dafür auf die Straße geht, läuft Gefahr, übersehen zu werden. Die Bezeichnung für solche Beiträge, die ein erhöhtes politisches oder soziales Bewusstsein signalisieren sollen, lautet „Woke Posts“.
Nun ist eine Tendenz zum Aktivismus – und damit einhergehend einer steigenden Politisierung vor allem junger Menschen – sehr begrüßenswert. Die Debatte um
„echten“und „falschen“Aktivismus hingegen ist müßig und nicht zielführend. Dennoch der Appell: Passt auf, was ihr teilt! Nur weil etwas im Sinne einer „guten“Sache geschieht, ist das noch lange keine gute Tat. Wo Infopost draufsteht, ist nicht immer Infopost drin. Und „woke“ist man durch einen geteilten Beitrag über „Red Flags“beim Onlinedating auch nicht automatisch. Es ist nicht jeder toxisch, mit dem man nicht einer Meinung ist. Und es ist auch nicht jeder ein Narzisst, nur weil man denjenigen oder diejenige nicht leiden kann. Den letzten Satz hab ich übrigens aus genau so einem Post übernommen, haha!