Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Man wird ja wohl noch träumen dürfen
Traumhaft scheint das, was für Rheydt und für die Gladbacher Innenstadt geplant ist. Dass sich aber mit weniger Autoverkehr, mehr Grün und Wasser real bestehende Probleme beseitigen lassen, ist unwahrscheinlich.
WSie ie entstehen die besten Ideen? Erstens: Nehmen
sich viel Zeit. Zweitens: Haben Sie keinesfalls eine feste Agenda. Die Gedanken mal hierhin, mal dorthin mäandern, ziellos den Blick schweifen lassen, sich vielleicht ein wenig langweilen. Und plötzlich ist sie da, die Erkenntnis, die Motivation, die mögliche Lösung für unlösbar Scheinendes. Weitere wichtige Zutat im Rezept des effizienten Nichtstuns: das Unmögliche nicht ausschließen.
„Du magst mich für einen Träumer halten, aber ich bin nicht der einzige“singt John Lennon in dem wunderschönen Stück „Imagine“. Ihm ging es damals, mitten im Kalten Krieg, um eine Welt voller Frieden. Der Traum des Ex-Beatles ist leider nicht wahr geworden. Aber in anderen Fällen ist das gelungen. Diktatoren wurden gestürzt, Revolutionen brachen aus, die Mauer, die Deutschland teilte, fiel.
Was das mit Mönchengladbach zu tun hat? Auch hier wird geträumt. Bürger, Stadtplaner, Oberbürgermeister – nicht immer sind ihre Träume deckungsgleich. Nicht immer sind sie erfolgreich.
Seit einigen Monaten zum Beispiel liegen Traumbilder und Visionen für Rheydt zur Debatte auf dem Tisch. Für relativ viel Geld haben Architekturbüros Konzepte entwickelt – für das Lankes-Areal, für den Parkplatz an der Gracht, für den Busverkehr, für die Stresemannstraße und das City-Haus. Es geht um Bauen und Erneuern, um Neu-Definieren und Begrünen, um weniger Autoverkehr und mehr Wasser. Als Impuls nicht schlecht. Ähnlich ist es in Gladbach, das grüner, autofreier, wasservoller und klimagerechter wird. Wer sollte dem widersprechen? Klingt doch wirklich traumhaft.
Doch lassen sich damit die real bestehenden Probleme lösen, die es in dieser ohne Frage liebenswerten Stadt eben auch gibt? Da sind Leerstände in den Einkaufsstraßen, die sich wohl nicht mehr mit Handel füllen lassen – denn die Verkaufsflächen schrumpfen mit wachsender Beliebtheit der digitalen Shopping-Touren. Da ist immer wieder Straßenkriminalität, die Passanten manche Parks und Abendstunden meiden lässt. Da ist eine Drogenszene, die teils wegen Vertreibungen aus anderen Städten der Region in Mönchengladbach landet und die Rauschmittel konsumiert, die wesentlich härter sind als die bisher üblichen. Es ließe sich weit mehr aufzählen.
Natürlich darf sich Mönchengladbach davon nicht dominieren lassen. Die Stadt ist viel besser als manchmal ihr Image. Hier leben viele tolle Menschen, die viel bewegen. Es gibt schöne Straßenzüge, auch an unvermuteten Stellen. Die Stadt ist grün, hat eine angenehme Gelassenheit, viele – wirklich gute – Restaurants und Kneipen, ein reges Nachtleben in der Altstadt, Wochenmärkte, eine einzigartige Zentralbibliothek, ein renommiertes Museum, gute Musiker und noch bessere Künstler, einen Bundesligisten, viele Sportvereine und ein bemerkenswertes Open-AirAngebot.
Die Basis ist also da, um Träume zu verwirklichen und den Trend zu drehen. Das aber klappt nur, wenn man die Bürger mit ihren Sorgen ernst nimmt, den Problemen offen begegnet und am besten gemeinsam nach Lösungen sucht, die über das Erwartbare hinaus reichen.
Das Wochenende ist eine gute Gelegenheit für effizientes Nichtstun.