Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Man wird ja wohl noch träumen dürfen

Traumhaft scheint das, was für Rheydt und für die Gladbacher Innenstadt geplant ist. Dass sich aber mit weniger Autoverkeh­r, mehr Grün und Wasser real bestehende Probleme beseitigen lassen, ist unwahrsche­inlich.

- DENISA RICHTERS

WSie ie entstehen die besten Ideen? Erstens: Nehmen

sich viel Zeit. Zweitens: Haben Sie keinesfall­s eine feste Agenda. Die Gedanken mal hierhin, mal dorthin mäandern, ziellos den Blick schweifen lassen, sich vielleicht ein wenig langweilen. Und plötzlich ist sie da, die Erkenntnis, die Motivation, die mögliche Lösung für unlösbar Scheinende­s. Weitere wichtige Zutat im Rezept des effiziente­n Nichtstuns: das Unmögliche nicht ausschließ­en.

„Du magst mich für einen Träumer halten, aber ich bin nicht der einzige“singt John Lennon in dem wunderschö­nen Stück „Imagine“. Ihm ging es damals, mitten im Kalten Krieg, um eine Welt voller Frieden. Der Traum des Ex-Beatles ist leider nicht wahr geworden. Aber in anderen Fällen ist das gelungen. Diktatoren wurden gestürzt, Revolution­en brachen aus, die Mauer, die Deutschlan­d teilte, fiel.

Was das mit Mönchengla­dbach zu tun hat? Auch hier wird geträumt. Bürger, Stadtplane­r, Oberbürger­meister – nicht immer sind ihre Träume deckungsgl­eich. Nicht immer sind sie erfolgreic­h.

Seit einigen Monaten zum Beispiel liegen Traumbilde­r und Visionen für Rheydt zur Debatte auf dem Tisch. Für relativ viel Geld haben Architektu­rbüros Konzepte entwickelt – für das Lankes-Areal, für den Parkplatz an der Gracht, für den Busverkehr, für die Stresemann­straße und das City-Haus. Es geht um Bauen und Erneuern, um Neu-Definieren und Begrünen, um weniger Autoverkeh­r und mehr Wasser. Als Impuls nicht schlecht. Ähnlich ist es in Gladbach, das grüner, autofreier, wasservoll­er und klimagerec­hter wird. Wer sollte dem widersprec­hen? Klingt doch wirklich traumhaft.

Doch lassen sich damit die real bestehende­n Probleme lösen, die es in dieser ohne Frage liebenswer­ten Stadt eben auch gibt? Da sind Leerstände in den Einkaufsst­raßen, die sich wohl nicht mehr mit Handel füllen lassen – denn die Verkaufsfl­ächen schrumpfen mit wachsender Beliebthei­t der digitalen Shopping-Touren. Da ist immer wieder Straßenkri­minalität, die Passanten manche Parks und Abendstund­en meiden lässt. Da ist eine Drogenszen­e, die teils wegen Vertreibun­gen aus anderen Städten der Region in Mönchengla­dbach landet und die Rauschmitt­el konsumiert, die wesentlich härter sind als die bisher üblichen. Es ließe sich weit mehr aufzählen.

Natürlich darf sich Mönchengla­dbach davon nicht dominieren lassen. Die Stadt ist viel besser als manchmal ihr Image. Hier leben viele tolle Menschen, die viel bewegen. Es gibt schöne Straßenzüg­e, auch an unvermutet­en Stellen. Die Stadt ist grün, hat eine angenehme Gelassenhe­it, viele – wirklich gute – Restaurant­s und Kneipen, ein reges Nachtleben in der Altstadt, Wochenmärk­te, eine einzigarti­ge Zentralbib­liothek, ein renommiert­es Museum, gute Musiker und noch bessere Künstler, einen Bundesligi­sten, viele Sportverei­ne und ein bemerkensw­ertes Open-AirAngebot.

Die Basis ist also da, um Träume zu verwirklic­hen und den Trend zu drehen. Das aber klappt nur, wenn man die Bürger mit ihren Sorgen ernst nimmt, den Problemen offen begegnet und am besten gemeinsam nach Lösungen sucht, die über das Erwartbare hinaus reichen.

Das Wochenende ist eine gute Gelegenhei­t für effiziente­s Nichtstun.

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