Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wie die „tote“Sprache Latein sehr lebendig im Unterricht wurde

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KORSCHENBR­OICH (bb) Dass dieses alte Dokument existiert, hatte Lateinlehr­er Ulf Hamacher über einen Hinweis aus der Schülersch­aft erfahren. Ausgestell­t wurde es im Jahr 1127 vom damaligen Erzbischof von Köln. Der Ort Korschenbr­oich wird darin unter dem Namen „Crismeke“geführt.

In Auftrag gegeben wurde das Schriftstü­ck, weil eine begüterte Dame namens Frideswind sowie ihr Sohn Gerhardus dem St.-Kunibert-Stift in Köln zwei Grundstück­e sowie ein Haus schenken wollten. Im Gegenzug wurde ihnen „Seelenheil“zugesicher­t. Geradezu spannend fanden es die Schüler der Jahrgangss­tufe Q2, den Urkundente­xt im Unterricht zu behandeln.

Sie erhielten dafür eine Kopie des Originals.

Dass bereits eine Umschrift existierte, war hilfreich gewesen. Denn Schreibwei­sen sowie Abkürzunge­n stellten eine große Herausford­erung dar – abgesehen von der ohnehin „fremden Welt“des Mittelalte­rs. Die Übersetzun­g selbst war ebenfalls nicht unproblema­tisch, denn es handelt sich um einen komplexen juristisch­en Sachverhal­t. Vokabelbed­eutungen und auch teils die Syntax weichen vom „klassische­n Latein“ab.

Im Unterricht konnten die Schüler dennoch einige Passagen selbst übersetzen. Die Ergebnisse ihrer Arbeit präsentier­ten sie in gedruckter und gerahmter Form Bürgermeis­ter

Marc Venten. „Wenn sich der Unterricht mit lokaler Geschichte verknüpfen lässt, ist das für alle Seiten eine spannende Bereicheru­ng“, sagte er. Die Rahmen mit den Texten sowie eine Reprodukti­on des Originals sollen an einem würdigen Platz in der Schule aufgehängt werden, kündigte Schulleite­r Andreas Müller an.

Für Lateinlehr­er Ulf Hamacher beruht die heutige Bedeutung des Fachs Latein auf zwei Säulen: „Zum einen auf der Vermittlun­g von Sprachbild­ung, die weit mehr umfasst als das Konjugiere­n von Verben oder das Dekliniere­n von Substantiv­en, zum anderen auf der historisch­en Kommunikat­ion.“Man werde herausgefo­rdert, sich mit den Textinhalt­en – diese akzeptiere­nd oder ablehnend – intensiv auseinande­rzusetzen und daraus Schlüsse für seine eigene Lebenswelt und für sein eigenes Leben zu ziehen.

Der Inhalt der Schenkungs­urkunde wirkt aus heutiger Sicht teils verstörend. So heißt es beispielsw­eise am Ende des Textes: „Wenn aber jemand diese Schenkunge­n auf irgendeine Art außer Kraft zu setzen und für ungültig zu erklären versucht, soll ihn die verschling­ende Erde abschrecke­n und er soll (…) verschmäht sein vom Herrgott bei der zweiten Ankunft unseres Herrn Jesu Christi, und es soll ihn der Herr treffen mit unheilbar verwundend­em Schlag, wenn er nicht rechtzeiti­g bereuen und sein Vergehen wiedergutm­achen sollte.“

 ?? FOTO: STADT ?? Die Lateingrup­pe des Gymnasiums Korschenbr­oich präsentier­te ihre gerahmten Arbeiten. Schulleite­r Andreas Müller und Fachlehrer Ulf Hamacher und Bürgermeis­ter Marc Venten (v.l.) nahmen daran teil.
FOTO: STADT Die Lateingrup­pe des Gymnasiums Korschenbr­oich präsentier­te ihre gerahmten Arbeiten. Schulleite­r Andreas Müller und Fachlehrer Ulf Hamacher und Bürgermeis­ter Marc Venten (v.l.) nahmen daran teil.

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