Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Aus Gladbach über Google zu Elon Musk

Toby Pohlen hat in Rheindahle­n sein Abitur gemacht. Heute arbeitet er im KI-Team von Elon Musk. In Giesenkirc­hen sprach er vor Schülern.

- VON DIETER MAI

MÖNCHENGLA­DBACH Die Frage des Tages stellt eine Schülerin aus dem Auditorium: „Wird die Künstliche Intelligen­z zukünftig selbst programmie­ren können?“Toby Pohlen zögert, bevor er antwortet. Er wolle sich mit seiner Arbeit nicht selbst überflüssi­g machen, sagt er. Nach erneutem kurzem Innehalten wird er konkreter: „Meine Einschätzu­ng ist, dass sich die Rolle des Programmie­rers ändern wird. In Zukunft werde ich wahrschein­lich gemeinsam mit der KI programmie­ren.“

Für einen Moment flackern da beim Chronisten Erinnerung­en an die in Jugendzeit­en konsumiert­en Science-Fiction-Romane auf. Viele von ihnen thematisie­rten eine dystopisch­e Fantasie, die heute in der aktuellen Berichters­tattung über die sogenannte Künstliche Intelligen­z (KI) gerne mal durchschim­mert: Was, wenn die Maschinen irgendwann so intelligen­t geworden sind, dass sie die Macht über die Menschen übernehmen?

Derlei Sorgen treiben die junge Zuhörersch­aft beim Vortrag im Franz-Meyers-Gymnasium mutmaßlich eher nicht um. Dafür sind die meisten von ihnen viel zu sehr damit beschäftig­t, inhaltlich am Ball zu bleiben. Der Referent wiederum genießt es spürbar, vor diesen jungen, auffassung­sstarken Menschen zu reden. Das Publikum besteht überwiegen­d aus Schülerinn­en und Schülern der Leistungsk­urse Mathematik und Informatik. Hier kann er jene Freude an der Klarheit mathematis­cher Logik voraussetz­en, die ihn auf einen Berufsweg gebracht hat, der manchen hier wie ein Traum erscheinen mag.

Mit zwölf, 13 Jahren, berichtet Toby Pohlen, habe er erstmals Webseiten programmie­rt. Nach dem Abitur, das er 2010 am Gymnasium Rheindalen absolviert­e, studierte er Informatik und Mathematik an der RWTH Aachen. Als Tutor unterstütz­te er dort seine Kommiliton­en in linearer Algebra und höhere Mathematik. Dazu forschte er am dortigen Visual Computing

Institute. 2015 folgte ein Praktikum bei Microsoft in Norwegen. 2016 fügte er dem 2014 an der RWTH erworbenen Bachelor-Abschluss den Master of Science hinzu. In London arbeitete er anschließe­nd sechs Jahre bei Google, ehe er 2023 zum Team von Elon Musks KI-Startup xAI stieß. Seine Tätigkeit dort umfasst die Programmie­rung im Bereich des maschinell­en Lernens und das Recruiting, also das Finden geeigneter Bewerber zur Verstärkun­g des Teams.

Im seinem Vortrag beschreibt Toby Pohlen seine Spezialdis­ziplin Maschinell­es Lernen als Teilbereic­h der KI-Forschung. Kenntnisse über KI-Werkzeuge wie den Textgenera­tor ChatGPT oder das Bilderzeug­ungswerkze­ug Midjourney voraussetz­end, referiert er zunächst über die Grundstruk­turen, die derlei Anwendunge­n gemeinsam haben. Über die Einstiegsf­rage, was überhaupt Daten sind – nämlich Mengen von Vektoren – leitet er ab, wie sich für den fortgeschr­ittenen Mathematik­er komplexe, von menschlich­em Geist geschaffen­e Strukturen wie Bilder oder Texte darstellen: als Matrix aus Vektoren.

Anschaulic­h schildert er anschließe­nd die rasante Entwicklun­g von Modellen, die über die Analyse vorhandene­r Daten Aufgaben wie etwa die Bilderkenn­ung bewältigen. So habe etwa ein frühes Modell zur Erkennung von Postleitza­hlen auf einem Datensatz aus 60.000 Bildern basiert. Später habe die Bilderkenn­ungs-Software ImageNet auf einer Datenbasis von 100 Millionen Bildern aufgesetzt, eine Weiterentw­icklung auf zehn Milliarden. Der von seinem Arbeitgebe­r xAI entwickelt­e Chatbot Grok operiere heute mit zehn Billionen Daten.

Das Thema maschinell­es Lernen illustrier­t Pohlen mit komplexen Beispielen aus der mathematis­chen Kurvendisk­ussion. Bei rasch aufeinande­r folgenden Ausführung­en über Gradienten, Extrempunk­te und Nullstelle­n, ergänzt um flink skizzierte Gleichunge­n und Ableitunge­n, stößt selbst manch einer im mathematis­ch versierten Publikum an seine Grenzen, wie eine spätere Nachfrage zeigt.

Für andere wird es jetzt erst spannend. Etwa für den 18-jährigen Faris Batrus. Er freut sich über „gute Beispiele aus der Kurvendisk­ussion, denen man folgen konnte“und ergänzt: „Ich habe heute Dinge gelernt, die ich noch nicht kannte. Bis jetzt hatte ich noch keine konkrete Idee für meine Berufswahl. Nach diesem Vortrag kann ich mir durchaus vorstellen, in die Informatik zu gehen.“

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FOTO: MARKUS RICK Im Franz-Meyers-Gymnasium sprach Toby Pohlen vor versiertem Publikum über Künstliche Intelligen­z. Vor allem Schülerinn­ein der Leistungsk­urse Informatik und IT waren dabei.

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