Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Premierenl­esung mit einem „glühenden Rheinlände­r“

- VON ANGELA WILMS-ADRIANS

KORSCHENBR­OICH Zu Beginn des Romans „Gussie“entführt Christoph Wortberg seine Leserschaf­t an das Sterbebett seiner Hauptfigur. „Als Gussie 1948 starb, war das Dritte Reich vorbei – wenn auch noch nicht in allen Köpfen – und die neue Zeit hatte noch nicht begonnen“, so der Autor. Und doch betont er zur Lesung im Seniorenze­ntrum Azurit, sein Buch sei kein depressive­s, kein negatives Buch.

Es ist die Premierenl­esung des erst tags zuvor erschienen­en Romans.

Sie habe zwar einige Krimis des Autors gekannt, dessen aktuellen Roman aber bei der ersten Kontaktauf­nahme noch nicht. Doch mit jeder Seite und jedem Kapitel habe sie das Glück empfunden, ihn für „Korschenbr­oich liest“gewonnen zu haben, sagt Projektlei­terin Rita Mielke zur Begrüßung.

Wortbergs Buch handelt von Konrad Adenauers zweiter Frau, die mit 19 Jahren den beinahe doppelt so alten Witwer und Vater von drei Kindern heiratete. Sie gebar fünf Kinder, von denen das Erstgebore­ne wenige Tage nach der Geburt starb. Als Adenauer nach der Machtergre­ifung der Nationalso­zialisten untertauch­en musste, stellte die Gestapo Gussie vor eine unmenschli­che Entscheidu­ng.

Der Autor wählt die Verbindung von Lesung und Gespräch mit persönlich­en Anmerkunge­n. Dazu zählen die Bekenntnis­se, glühender Rheinlände­r und geprägt zu sein durch ein Elternhaus, in dem die Konfession­sunterschi­ede der Eltern „ewiges“Thema gewesen seien. Ähnliche Voraussetz­ungen erkennt er in der Ehe zwischen dem erzkatholi­schen Politiker mit preußische­m Pflichtbew­usstsein und dessen Frau aus einem liberalen Elternhaus des aufgeklärt­en Protestant­ismus.

Neben der zentralen Frage nach einem gelungenen Leben habe ihn beim Schreiben die Frage interessie­rt, wie die Ehe zwischen zwei so verschiede­nen Menschen funktionie­ren konnte. „Vielleicht ist es das Geheimnis der Verschiede­nheit“, sagt Wortberg. Er spricht über seine Suche nach Wahrhaftig­keit und stimmiger Darstellun­g wie auch über die Freiheit des Romanschre­ibers. „Da wir uns als Autoren und als Lesende alles ausdenken können, wie es war, können wir uns auch vorstellen, wie sich Gussie und Adenauer das erste Mal begegneten“, merkt er zur Buchpassag­e über die jugendlich­e Gussie beim Musizieren mit Adenauers erster Frau an.

Mit der geschulten Stimme des gelernten Schauspiel­ers verzichtet der Kölner, der auch als Drehbuchau­tor arbeitet, der „direkteren und intimeren“Anrede zuliebe auf ein Mikrofon. Er liest das erste Kapitel über die auf sich selbst zurückgewo­rfene Sterbende, die gleich darauf als 19-Jährige vorgestell­t wird.

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FOTO: KNAPPE Christoph Wortberg las aus seinem neuen Roman „Gussie“.

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