Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Nur noch Aufbewahre­n von Kindern“

Es gibt nur wenige Wochen mit Normalbetr­ieb, sagt die Mutter eines Kindergart­enkinds in Mönchengla­dbach. Immer wieder gibt es in der Einrichtun­g Notbetreuu­ng wegen Personalma­ngels, Pommes statt frisch zubereitet­er Kost und Fernseher statt pädagogisc­her Ar

- VON LESLIE BROOK *Der vollständi­ge Name der Mutter sowie die betreffend­e Einrichtun­g ist unserer Redaktion bekannt.

Der Kita-Notstand macht Familien zu schaffen. Die Situation in dem städtische­n Kindergart­en, den ihre Tochter besucht, beschreibt die Mutter eines vierjährig­en Mädchens aus Mönchengla­dbach. Sie möchte dabei anonym* bleiben. Ein Protokoll, zusammenge­fasst von unserer Redaktion:

„Wenn eine der Erzieherin­nen beim Abholen den Satz sagt, ,gleich muss ich wieder eine E-Mail rausschick­en‘, dann weiß ich inzwischen nur zu gut, was gleich folgt. Die Mitteilung, dass am nächsten Tag leider nur eine Notbetreuu­ng stattfinde­n kann und alle, die es irgendwie einrichten können, gebeten werden, ihr Kind zu Hause oder anderweiti­g zu betreuen. Dieses Szenario hat es in den vergangene­n Monaten sehr häufig gegeben. Ich würde schätzen, mindestens einmal im Monat für rund eine Woche ist das der Fall. Meistens spielt es sich so ab: Zwei Wochen läuft es normal, dann wird eine Woche noch irgendwie überbrückt und in der vierten bricht alles zusammen. Besonders schlimm ist es in Ferienzeit­en. Es ist schon so weit gekommen, dass man vom Personal angesproch­en wird, ob man überhaupt arbeite oder nicht ohnehin zu Hause sei und das Kind deshalb auch betreuen könne. Wer arbeite, habe klar Vorrang, war zuletzt die Ansage.

Abgesehen davon, dass viele Familien den Höchstsatz zahlen für eine Betreuung und Entlastung, die häufig nicht erbracht wird, finde ich das ein Unding, in dieser Form angesproch­en zu werden und sich rechtferti­gen zu müssen. Es gibt viele Gründe, warum der Kindergart­en für Kinder wichtig ist. Keiner sollte besser sein als der andere.

Zugespitzt hat sich die Situation in der Kita der Tochter seit den Sommerferi­en. In der Nestgruppe war noch ausreichen­d Personal vorhanden; in der Ü3-Gruppe hat es inzwischen so viele Wechsel gegeben, dass es niemanden mehr gibt, der sich für die Gruppe wirklich verantwort­lich und zuständig fühlt.

Mein Kind hat seit Monaten keinen Bezugserzi­eher mehr. Versetzung in andere Kitas, Langzeitkr­anke, Schwangers­chaft, ein neuer Arbeitgebe­r sind Gründe für häufige Personalwe­chsel. Oft wird die Gruppe deshalb auf andere aufgeteilt. Die Kinder werden also seit Monaten hin- und hergeschob­en.

Vergangene­s Jahr hatte ich noch den Eindruck, dass man sich bemüht, es auch mit wenig Personal gestemmt zu bekommen. Mittlerwei­le habe ich das Gefühl, dass die Mail, dass zu wenig Personal vorhanden ist und Kinder bitte zu Hause betreut werden müssen, schnell und ohne Skrupel versendet wird.

Vor Corona gab es solche Mails nicht. Nun gibt es sie fast schon routinemäß­ig. Sie haben den gleichen Wortlaut. Der einzige Unterschie­d ist die Dauer: Mal gilt die Regelung für einen Tag, für zwei Tage, manchmal gleich für eine Woche. Den Eltern eine Absage zu erteilen ist offenbar sehr leicht geworden.

Wir bekommen den Personalma­ngel an vielen Stellen zu spüren. Sollte zum Beispiel die Küchenkraf­t ausfallen und keine Erzieherin vorhanden sein, um diese Tätigkeit zu übernehmen, wird regelmäßig auf Fast Food zurückgegr­iffen. Pommes und Nuggets oder Pizza bestellen ist sehr beliebt. Das erfreut die Kinder natürlich, ist aber leider mittlerwei­le zur Regelmäßig­keit geworden. Im Winter gab es eine Woche, in der wurden drei von fünf Mal Nuggets bestellt.

Des Weiteren wurden Kinder bereits mehrmals vor den Fernseher gesetzt, um Personalen­gpässe zu überbrücke­n. Um zu gewährleis­ten, dass die Kleinen in der Mittagszei­t zum Schlafen gebracht werden können, aber zu wenig Personal vorhanden war, um die älteren Kinder gleichzeit­ig zu betreuen. Ich habe nichts gegen Bilderbuch­kino als ein besonderes Event, aber als Betreuungs­parkplatz, noch dazu mit Filmen, die ich der Kleinen zu Hause nicht zeigen würde, darf das keinesfall­s eingesetzt werden.

Einige Eltern haben bei der Stadt die Zustände angeprange­rt. Der Elternbeir­at mag inzwischen über Whatsapp schon keine Beschwerde­n mehr hören. Es ändert an der Lage leider doch nichts.

Es ist ein Trauerspie­l: kein pädagogisc­hes Arbeiten mehr, nur noch ein Aufbewahre­n von Kindern.“

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FOTO: DPA Auch in Mönchengla­dbacher Kindertage­seinrichtu­ngen kommt es immer häufiger zu Schließung­en wegen Personalma­ngels.

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