Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Nur noch Aufbewahren von Kindern“
Es gibt nur wenige Wochen mit Normalbetrieb, sagt die Mutter eines Kindergartenkinds in Mönchengladbach. Immer wieder gibt es in der Einrichtung Notbetreuung wegen Personalmangels, Pommes statt frisch zubereiteter Kost und Fernseher statt pädagogischer Ar
Der Kita-Notstand macht Familien zu schaffen. Die Situation in dem städtischen Kindergarten, den ihre Tochter besucht, beschreibt die Mutter eines vierjährigen Mädchens aus Mönchengladbach. Sie möchte dabei anonym* bleiben. Ein Protokoll, zusammengefasst von unserer Redaktion:
„Wenn eine der Erzieherinnen beim Abholen den Satz sagt, ,gleich muss ich wieder eine E-Mail rausschicken‘, dann weiß ich inzwischen nur zu gut, was gleich folgt. Die Mitteilung, dass am nächsten Tag leider nur eine Notbetreuung stattfinden kann und alle, die es irgendwie einrichten können, gebeten werden, ihr Kind zu Hause oder anderweitig zu betreuen. Dieses Szenario hat es in den vergangenen Monaten sehr häufig gegeben. Ich würde schätzen, mindestens einmal im Monat für rund eine Woche ist das der Fall. Meistens spielt es sich so ab: Zwei Wochen läuft es normal, dann wird eine Woche noch irgendwie überbrückt und in der vierten bricht alles zusammen. Besonders schlimm ist es in Ferienzeiten. Es ist schon so weit gekommen, dass man vom Personal angesprochen wird, ob man überhaupt arbeite oder nicht ohnehin zu Hause sei und das Kind deshalb auch betreuen könne. Wer arbeite, habe klar Vorrang, war zuletzt die Ansage.
Abgesehen davon, dass viele Familien den Höchstsatz zahlen für eine Betreuung und Entlastung, die häufig nicht erbracht wird, finde ich das ein Unding, in dieser Form angesprochen zu werden und sich rechtfertigen zu müssen. Es gibt viele Gründe, warum der Kindergarten für Kinder wichtig ist. Keiner sollte besser sein als der andere.
Zugespitzt hat sich die Situation in der Kita der Tochter seit den Sommerferien. In der Nestgruppe war noch ausreichend Personal vorhanden; in der Ü3-Gruppe hat es inzwischen so viele Wechsel gegeben, dass es niemanden mehr gibt, der sich für die Gruppe wirklich verantwortlich und zuständig fühlt.
Mein Kind hat seit Monaten keinen Bezugserzieher mehr. Versetzung in andere Kitas, Langzeitkranke, Schwangerschaft, ein neuer Arbeitgeber sind Gründe für häufige Personalwechsel. Oft wird die Gruppe deshalb auf andere aufgeteilt. Die Kinder werden also seit Monaten hin- und hergeschoben.
Vergangenes Jahr hatte ich noch den Eindruck, dass man sich bemüht, es auch mit wenig Personal gestemmt zu bekommen. Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass die Mail, dass zu wenig Personal vorhanden ist und Kinder bitte zu Hause betreut werden müssen, schnell und ohne Skrupel versendet wird.
Vor Corona gab es solche Mails nicht. Nun gibt es sie fast schon routinemäßig. Sie haben den gleichen Wortlaut. Der einzige Unterschied ist die Dauer: Mal gilt die Regelung für einen Tag, für zwei Tage, manchmal gleich für eine Woche. Den Eltern eine Absage zu erteilen ist offenbar sehr leicht geworden.
Wir bekommen den Personalmangel an vielen Stellen zu spüren. Sollte zum Beispiel die Küchenkraft ausfallen und keine Erzieherin vorhanden sein, um diese Tätigkeit zu übernehmen, wird regelmäßig auf Fast Food zurückgegriffen. Pommes und Nuggets oder Pizza bestellen ist sehr beliebt. Das erfreut die Kinder natürlich, ist aber leider mittlerweile zur Regelmäßigkeit geworden. Im Winter gab es eine Woche, in der wurden drei von fünf Mal Nuggets bestellt.
Des Weiteren wurden Kinder bereits mehrmals vor den Fernseher gesetzt, um Personalengpässe zu überbrücken. Um zu gewährleisten, dass die Kleinen in der Mittagszeit zum Schlafen gebracht werden können, aber zu wenig Personal vorhanden war, um die älteren Kinder gleichzeitig zu betreuen. Ich habe nichts gegen Bilderbuchkino als ein besonderes Event, aber als Betreuungsparkplatz, noch dazu mit Filmen, die ich der Kleinen zu Hause nicht zeigen würde, darf das keinesfalls eingesetzt werden.
Einige Eltern haben bei der Stadt die Zustände angeprangert. Der Elternbeirat mag inzwischen über Whatsapp schon keine Beschwerden mehr hören. Es ändert an der Lage leider doch nichts.
Es ist ein Trauerspiel: kein pädagogisches Arbeiten mehr, nur noch ein Aufbewahren von Kindern.“