Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Leben mit Beuysscher Gelassenheit
Ulla Grigat hat ein bewegtes Leben. Sie hat Keramik bemalt und an der Düsseldorfer Akademie bei „Jupp“studiert. Was sie von den alten Zeiten gerettet hat.
Sie ist ein Freigeist, das wird ganz schnell klar. Wenn Ulla Grigat in ihrem lichtdurchfluteten Atelier ins Erzählen gerät, „babbelt“sie ein wenig und kann ihre Herkunft aus dem Badischen nicht verleugnen. Ganz unbewusst und selbstverständlich rutscht ihr aber auch ein rheinisches „Dat“oder „Wat“über die Lippen. Die 80-jährige Künstlerin lebt immerhin schon seit 56 Jahren in Mönchengladbach. Sie radelt ins Atelier quer durch die Stadt, ohne E-Motor, und genießt den Aufenthalt zwischen ihren fertigen Kunstwerken, die an den Wänden lehnen.
„Schon in der Schule hatte ich für das Fach Kunst ein Händchen“, sagt Ulla Grigat. Sie ist in einem Frauenhaushalt in Karlsruhe aufgewachsen, denn nachdem ihr Vater im Krieg gefallen war, zog ihre Mutter mit ihr zu ihrer Großmutter. Nach der achten Klasse ging sie ab und lernte bei einer der renommiertesten Majolika-Keramikmanufakturen Deutschlands. Dort hätte sie präzises Arbeiten gelernt. Freihand wurden Keramikteller oder -vasen mit Blumenranken und anderen Mustern geschmückt. Besonders gefallen hat es ihr in der Abteilung „Baukeramik“, wo Halbreliefs für Häuserecken modelliert und bemalt wurden. Nach der Lehre, die sie schon mit 17 Jahren beendet hat, habe „sie richtig viel Geld verdient“. Doch früher wie heute bedeutet ihr Geld nicht viel im Leben – Besuchern schenkt sie gerne einen ihrer Holzschnitte.
So war mit 17 noch nicht Schluss, denn die junge Keramikmalerin wollte weiterkommen und begann ein Studium der Freien Malerei in Karlsruhe in der Klasse von Georg Meistermann. Sie heiratete früh Johannes
Grigat, der eine Anstellung als Restaurator im Mönchengladbacher Museum erhielt. Zeitweise lebte sie in der Villa Hecht.
Geprägt hat sie und ihre Malerei die Zeit an der Düsseldorfer Akademie. Nach bestandener Aufnahmeprüfung wollte sie eigentlich zu Rupprecht Geiger in die Klasse. Doch der hätte gesagt, „geh mal lieber zu Jupp“. Doch Joseph Beuys’ Klasse war so voll, dass sie in der Akademie keinen Malplatz mehr bekam und zu Hause in der Villa ihre Arbeiten erstellte. Zur Korrektur fuhr sie nach Düsseldorf. Ende der 1960er-Jahre sei alles möglich gewesen, sogar ihre kleine Tochter durfte sie mitbringen. „Alles war frei“, schwärmt sie noch heute. „Wenn Beuys mit seinem Hut und im Pelzmantel durch die Gänge schwebte, herrschte eine besondere Atmosphäre“, sagt Grigat, die von sich meint: „Je älter ich werde, desto beuysianischer werde ich.“Spießertum verabscheut sie,
und permanentes Bewerten von anderen Menschen ebenso. „Sollen die Menschen doch das tun, was sie möchten.“
In ihrer Beuys-Zeit kristallisierte sich für ihre Kunst der geometrische Stil heraus. Sehr penibel zeichnet die Meisterschülerin ihre Entwürfe auf einem DIN-A4-Blatt vor, probiert die Farbgestaltung aus. Ein, zwei Monate arbeitet sie an einer Leinwand in der Größe 100 Mal 120 Zentimeter. In einem kleineren Format würden die Muster nicht wirken. Ihre Farben mischt die 80-Jährige immer noch selbst und verwendet dabei Pigment-Pulver. „Sehr ergiebig und flexibel verwendbar“, sagt sie.
Ihre Werke sind in verschiedenen Sammlungen vertreten, unter anderem im Museum Schloss Moyland, im Museum Abteiberg und der Hiltrud-Neumann-Stiftung in Goch. In Ausstellungen gibt sie ihre Werke nur noch, wenn die Konditionen stimmen, und damit sei nicht das Geld gemeint, eher „Hilfe beim Transport und ein stimmiges Konzept“.