Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Wie viel Kompromiss die Seestadt verträgt
Die Zeiten für Bauen waren schon mal besser. Deshalb verhandeln Investoren gerne nach. Doch jedes Entgegenkommen der Kommune wälzt Kosten auf die Allgemeinheit ab. Von den Grenzen der Verhandelbarkeit.
Wenn ein privater Investor oder Projektentwickler in
Kommune baut, ist das immer ein Austarieren der Interessen: Die Stadt will in der Regel, dass sich etwas zum Besseren entwickelt. Eine Brache wird mit Leben gefüllt, ein modernes Gebäude ersetzt eine Schrottimmobilie, Wohnraum wird geschaffen ... Der Investor hingegen mag den Anschein erwecken, der Allgemeinheit oder der Stadt etwas Gutes tun zu wollen. Am Ende will er aber vor allem Geld verdienen. Was nichts Despektierliches ist. Denn die Kommune kann gar nicht alles selbst bauen, ist auf private Bauherren angewiesen. Es ist also ein Deal, besiegelt mit vielen Verträgen, auch städtebaulichen.
Darin handeln beide Seiten aus, wer wofür aufkommt und wer wann was realisiert. Dabei geht es um die Kosten für die Erschließung eines Baugebiets mit Straßen, um das Bauen von Kitas, Spielplätzen, das Anlegen von Grünflächen oder eines künstlichen Sees sowie des danach zu finanzierenden Unterhalts. Zur Verhandlungsmasse gehören in der Regel auch Volumen des Baukörpers, die im Bebauungsplan festgehalten werden. Der Investor will möglichst viel bauen, die Stadt muss die Verträglichkeit mit dem Umfeld abwägen. Und so einigt man sich auf einen für alle gangbaren Weg.
Bei Haus Westland zum Beispiel wollte der jüngste Investor größer bauen als der Vorgänger, weshalb die Stadt mit ihrer Tochter NEW bereit war, den Busbahnhof zu verkleinern und einen Teil der öffentlichen Fläche zu verkaufen. Der Verkauf wurde noch nicht vollzogen. Zum Glück. Denn nun, wo das Bauen wegen Zinswende und Kostensteigerungen teurer ist, will der Investor nachverhandeln. Was legitim ist, es muss allerdings die Balance stimmen – in guten wie in schlechten Zeiten. Die noch nicht verkaufte Fläche gibt der Stadt Spielraum.
Ähnliches Ringen scheint sich gerade bei der Seestadt abzuspielen. Und das nicht zum ersten Mal.
Denn die zugesagten sozial geförderten Wohnungen sollten eigentlich schon längst gebaut sein. In der Niedrigzinsphase bei hohen Baukosten war das allerdings nicht gewinnbringend zu realisieren. Was ein Argument ist. Dennoch gab es Zusagen – und vor allem den dringenden Bedarf an preisgünstigem Wohnraum. Auch der künstliche, namensgebende See war für viel früher versprochen worden. Die Stadt kam dem Investor angesichts der schwierigen Marktlage entgegen. Was richtig war, schließlich soll die Brache bebaut werden. Nun wird das Vertragspaket aber aufgeschnürt: Laut der Baudezernentin im Fachausschuss hat der Investor Änderungswünsche mit haushalterischen Auswirkungen für die Stadt. Sprich: Die Stadt soll Kosten tragen, die bisher auf seiner Seite lagen. Dabei kann es nur um Dinge wie Erschließungen und den See gehen. Das ist aus Sicht des Investors verständlich. Im Hintergrund steht schließlich ein schwedischer Fonds, dessen Anleger Ausschüttungen erwarten. Doch Mönchengladbach ist zu arm, um das Füllhorn über Investoren auszuschütten. Das wenige Geld muss klug und zum Wohl der Stadt eingesetzt werden.
Beim Kompromiss muss es um die richtige Balance gehen – und nicht darum, wer am Ende des Spiels den Schwarzen Peter in der Hand hält.