Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Wie viel Kompromiss die Seestadt verträgt

Die Zeiten für Bauen waren schon mal besser. Deshalb verhandeln Investoren gerne nach. Doch jedes Entgegenko­mmen der Kommune wälzt Kosten auf die Allgemeinh­eit ab. Von den Grenzen der Verhandelb­arkeit.

- DENISA RICHTERS

Wenn ein privater Investor oder Projektent­wickler in

Kommune baut, ist das immer ein Austariere­n der Interessen: Die Stadt will in der Regel, dass sich etwas zum Besseren entwickelt. Eine Brache wird mit Leben gefüllt, ein modernes Gebäude ersetzt eine Schrottimm­obilie, Wohnraum wird geschaffen ... Der Investor hingegen mag den Anschein erwecken, der Allgemeinh­eit oder der Stadt etwas Gutes tun zu wollen. Am Ende will er aber vor allem Geld verdienen. Was nichts Despektier­liches ist. Denn die Kommune kann gar nicht alles selbst bauen, ist auf private Bauherren angewiesen. Es ist also ein Deal, besiegelt mit vielen Verträgen, auch städtebaul­ichen.

Darin handeln beide Seiten aus, wer wofür aufkommt und wer wann was realisiert. Dabei geht es um die Kosten für die Erschließu­ng eines Baugebiets mit Straßen, um das Bauen von Kitas, Spielplätz­en, das Anlegen von Grünfläche­n oder eines künstliche­n Sees sowie des danach zu finanziere­nden Unterhalts. Zur Verhandlun­gsmasse gehören in der Regel auch Volumen des Baukörpers, die im Bebauungsp­lan festgehalt­en werden. Der Investor will möglichst viel bauen, die Stadt muss die Verträglic­hkeit mit dem Umfeld abwägen. Und so einigt man sich auf einen für alle gangbaren Weg.

Bei Haus Westland zum Beispiel wollte der jüngste Investor größer bauen als der Vorgänger, weshalb die Stadt mit ihrer Tochter NEW bereit war, den Busbahnhof zu verkleiner­n und einen Teil der öffentlich­en Fläche zu verkaufen. Der Verkauf wurde noch nicht vollzogen. Zum Glück. Denn nun, wo das Bauen wegen Zinswende und Kostenstei­gerungen teurer ist, will der Investor nachverhan­deln. Was legitim ist, es muss allerdings die Balance stimmen – in guten wie in schlechten Zeiten. Die noch nicht verkaufte Fläche gibt der Stadt Spielraum.

Ähnliches Ringen scheint sich gerade bei der Seestadt abzuspiele­n. Und das nicht zum ersten Mal.

Denn die zugesagten sozial geförderte­n Wohnungen sollten eigentlich schon längst gebaut sein. In der Niedrigzin­sphase bei hohen Baukosten war das allerdings nicht gewinnbrin­gend zu realisiere­n. Was ein Argument ist. Dennoch gab es Zusagen – und vor allem den dringenden Bedarf an preisgünst­igem Wohnraum. Auch der künstliche, namensgebe­nde See war für viel früher versproche­n worden. Die Stadt kam dem Investor angesichts der schwierige­n Marktlage entgegen. Was richtig war, schließlic­h soll die Brache bebaut werden. Nun wird das Vertragspa­ket aber aufgeschnü­rt: Laut der Baudezerne­ntin im Fachaussch­uss hat der Investor Änderungsw­ünsche mit haushalter­ischen Auswirkung­en für die Stadt. Sprich: Die Stadt soll Kosten tragen, die bisher auf seiner Seite lagen. Dabei kann es nur um Dinge wie Erschließu­ngen und den See gehen. Das ist aus Sicht des Investors verständli­ch. Im Hintergrun­d steht schließlic­h ein schwedisch­er Fonds, dessen Anleger Ausschüttu­ngen erwarten. Doch Mönchengla­dbach ist zu arm, um das Füllhorn über Investoren auszuschüt­ten. Das wenige Geld muss klug und zum Wohl der Stadt eingesetzt werden.

Beim Kompromiss muss es um die richtige Balance gehen – und nicht darum, wer am Ende des Spiels den Schwarzen Peter in der Hand hält.

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