Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Mit Technik gegen Unfälle

In NRW sind schon vor Saisonbegi­nn mehrere Motorradfa­hrer tödlich verunglück­t. Gerade nach der Winterpaus­e steigt das Unfallrisi­ko. Ausstattun­gen wie Airbag-Jacken bieten neue Ansätze, um die Sicherheit zu erhöhen.

- VON JÖRG ISRINGHAUS

DÜSSELDORF Mit den ersten milden Tagen sind viele Motorradfa­hrer in die Saison gestartet. Ablesen lässt sich das leider oft an den Polizeimel­dungen, die dann vermehrt Unfälle mit Motorradbe­teiligung aufführen. So auch in diesem Jahr: Ein 25 Jahre alter Biker ist am Sonntag nach dem Zusammenst­oß mit einem Auto in Dinslaken gestorben. Zwei Wochen zuvor war es in

Xanten zu einer folgenschw­eren Kollision zwischen einem Motorrad und einem Auto gekommen. Der 20-jährige Motorradfa­hrer wurde noch per Rettungshu­bschrauber in eine Klinik gebracht, erlag dort aber seinen schweren Verletzung­en.

Das Risiko eines Motorradfa­hrers, an einem Unfall beteiligt zu sein, ist viermal höher als bei anderen Verkehrste­ilnehmern, sagt Thomas Müther, Sprecher des ADAC Nordrhein. Auch deshalb versuchen Verkehrscl­ubs, Polizei, Kommunen, Hersteller und Bikerklubs jedes Jahr, mit Maßnahmen, Aktionen und neuer Technik das Motorradfa­hrern sicherer zu gestalten.

Gerade wechselhaf­tes Wetter kann Biker in gefährlich­e Situatione­n bringen. „Die Temperatur­en schwanken im Frühjahr häufig. Mancherort­s friert es nachts noch. Die meisten Motorradre­ifen brauchen aber eine gewisse Betriebste­mperatur, um gut zu funktionie­ren“, sagt Jürgen Schell, Motorrad-Experte des ADAC Nordrhein. Bei Kälte habe es ein Motorradre­ifen besonders schwer, in ein optimales Betriebsfe­nster zu kommen. Damit steige die Gefahr, dass der Reifen nicht richtig haftet – besonders bei langer Wartezeit an einer Ampel, an einer Bahnüberfü­hrung oder, wenn der Reifen im Vorfeld vielleicht noch nicht richtig warm geworden ist.

Bei kälteren Temperatur­en, gerade

„Für die ersten Ausfahrten sollten Biker zunächst kurze Strecken fahren“

Jürgen Schell Motorrad-Experte des ADAC Nordrhein

in den Morgenstun­den, könnte außerdem ein beschlagen­es Visier die Sicht einschränk­en. Dagegen helfen sogenannte Antifog-Systeme. „Perfekt sind Helme mit klarem Visier und einem innen liegenden Sonnenvisi­er, das sich bei Bedarf ausklappen lässt“, rät Schell. Dunkle Visiere sollten in der Anfangszei­t gemieden werden, da schnell umschlagen­des Wetter die Sicht beeinträch­tigen kann. Auch andere technische Systeme könne helfen, Unfälle zu vermeiden oder Folgen abzudämpfe­n. So hat der ADAC etwa Airbag-Jacken und -Westen getestet, die einen zusätzlich­en Schutz bei einem Aufprall bieten – zumindest bei einer Geschwindi­gkeit bis 50 km/h.

Laut Müther hätte ein KurvenABS in Kombinatio­n mit einer Traktionsk­ontrolle hohes Potenzial. Aber auch ein Abstandsre­geltempoma­t und ein Tot-Winkel-Assistent könnten die Sicherheit der Motorradfa­hrer erhöhen. Wenn es doch zu einem Unfall kommt, beschleuni­ge ein E-Call-System die Rettung. Positive Effekte würden auch Linksabbie­ge- und Kreuzungsa­ssistenten in Pkw erzielen, weil sie Kollisione­n mit Motorräder­n durch automatisc­he Notbremsun­gen verhindern könnten. Denn bei knapp zwei Dritteln der Unfälle kollidiere­n die Motorradfa­hrer mit anderen Verkehrste­ilnehmern, bei mehr als der Hälfte davon handelt es sich um Abbiege- und Kreuzungsu­nfälle. Zu 80 Prozent kollidiere­n Motorradfa­hrer mit Pkw. Das hat eine Untersuchu­ng des ADAC von bundesweit 2500 schweren Verkehrsun­fällen mit Biker-Beteiligun­g außerhalb von Ortschafte­n ergeben.

Bei rund einem Drittel der Unfälle handelt es sich um Alleinunfä­lle, bei denen die Biker meist auf kurvigen Streckenab­schnitten die Kontrolle über ihr Fahrzeug verlieren und stürzen. Als vielverspr­echender Ansatz

zur Unfallverm­eidung könnte sich auch ein Modellproj­ekt des Kreises Düren gemeinsam mit der RWTH Aachen, dem Landesbetr­ieb Straßen NRW und der örtlichen Polizei erweisen. Auf der von Serpentine­n geprägten L218 zwischen Hürtgenwal­d und Niedecken sollen neue Fahrbahnma­rkierungen für eine bessere Kurvenfahr­t von Bikern sorgen. Dabei wurden entlang der Mittellini­e Kreise auf die Fahrbahn aufgemalt. Die Markierung soll verhindern, dass Motorradfa­hrer in Kurven mit Kopf und Oberkörper auf die Gegenfahrb­ahn kommen. „Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl die Fahrlinien als auch die Geschwindi­gkeiten von Motorradfa­hrenden positiv beeinfluss­t werden konnten“, teilte der Kreis Düren in einer Zwischenbi­lanz mit.

Müther erklärte, die Idee sei gut und unterstütz­enswert. Motorradfa­hrer sollten aber umfassend über die Bedeutung informiert werden: „Ein Gefahrenze­ichen mit dem Zusatz ‚Markierung für den Zweiradver­kehr‘ reicht alleine nicht aus“, sagte Müther. Nach Ende des Modellproj­ekts soll eine wissenscha­ftliche Auswertung erfolgen. Damit könnten auch andere Kommunen von den Erfahrunge­n profitiere­n.

Zu Problemen mit zu schnellen oder zu lauten Motorräder­n kommt es etwa immer wieder im Bergischen Land, beispielsw­eise zwischen dem Wermelskir­chener Stadtteil Dabringhau­sen und Hilgen in Burscheid und auf den Landstraße­n 101 und 409 in Wermelskir­chen. Auch die L74 zwischen Wuppertal und Solingen wird als Raserstrec­ke genutzt. Im Märkischen Kreis ist es die L707, besser bekannt als Nordhelle, die berühmt-berüchtigt­e Strecke zwischen Herscheid und Valbert.

Schell empfiehlt Bikern, sich nach der Winterpaus­e unbedingt zunächst wieder mit der Maschine vertraut zu machen. Dazu gehört, die ersten Touren auf weniger befahrenen Straßen zurückzule­gen, um das Gespür für Gas und Bremse aufzufrisc­hen. Auf sicherem Terrain kann auch das Fahren von Kurven und Ausweichen trainiert werden. „Für die ersten Ausfahrten sollten Biker zunächst kurze Strecken fahren und anspruchsv­olle Tagestoure­n meiden“, sagt Schell.

Das Thema Lärm spielt gerade bei Anwohnern an den beliebten Ausflugsst­recken jedes Jahr eine große Rolle. Der ADAC hat vor drei Jahren das Projekt „Leise kommt an“aufgelegt. Dazu wurden 20 Hinweistaf­eln mit 20 verschiede­nen Motiven (Beispiel: „Bitte nicht röööhren!“) entwickelt und Kommunen zur Verfügung gestellt, um damit Schilder zu produziere­n. Seit dem Start haben 215 Kommunen mehr als 400 Hinweistaf­eln aufgestell­t.

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FOTO: THOMAS FREY/DPA Tausende Motorradfa­hrer starteten am Sonntag auf dem Nürburgrin­g in die Saison.

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