Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Awo – wie eine 100-Jährige ihre Zukunft plant
Mehr als 200 Gästen kamen ins Beratungs- und Qualifizierungszentrum an der Limitenstraße, darunter Minister Heil.
MÖNCHENGLADBACH (gap) Wer ins gesetzte Alter gekommen ist und einen runden Geburtstag feiert, der erzählt gerne von früher. Niemand hätte es also gewundert, wenn das bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Mönchengladbach am Montag, 29. April, auch so gemacht worden wäre. Denn die Awo MG ist jetzt stolze 100 Jahre alt geworden, und das wurde im Beratungs- und Qualifizierungszentrum L64 an der Limitenstraße in Rheydt groß gefeiert. Mehr als 220 Gäste waren gekommen, darunter auch Annemarie Körfges, die mit ihren 95 Jahren wohl zu den dienstältesten Awo-Mitgliedern in Mönchengladbach zählen dürfte und ganz sicher sehr viele Entwicklungen aus der Geschichte des Wohlfahrtsverbandes kennt. Doch Norbert Bude, Vorsitzender des Awo-Präsidiums, machte schon in einer Begrüßung klar, dass die Awo, die für ein Jahrhundert soziale Veranstaltung steht, auch als 100-Jährige nach vorne blickt.
Der prominenteste Gast der vorausschauenden Geburtstagsparty: Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales. Für ihn gab es nach eigenen Worten gleich mehrere Gründe, nach Mönchengladbach zu kommen, nicht zuletzt, weil seine Frau aus Giesenkirchen stamme. Er, selbst Awo-Mitglied, würdigte, dass die Awo Mönchengladbach als sozialer Dienstleister auch auf die Zukunft der Arbeit schaue.
Gleich mehrere Festredner bescheinigten dem Mönchengladbacher Wohlfahrtsverband in dieser Hinsicht so etwas wie ein „Role Model“zu sein, also ein Vorbild. Das Lob kam sogar von der Vorständin des Awo-Bundesverbandes, Claudia Mandrysch. In einem kurzen Imagefilm erklärten Mönchengladbacher Awo-Mitarbeiter, wie sie im Unternehmen Hierarchien abgebaut und mehr Mitbestimmungsrecht geschaffen haben und wie interdisziplinäres Arbeiten zu mehr Motivation führen kann. Und gerade dies sei wichtig, wie Hubertus Heil betonte. Er betonte: „Viele glauben, der Arbeiter- und Fachkräftemangel sei schon spürbar. Ich sage: Die Aufgabe liegt noch vor uns.“Drei Schlagworte nannte der Minister im Zusammenhang mit dem Wandel der Arbeit: „Wertschätzung, Würde und Wandel.“Die technologischen Veränderungen seien nicht aufzuhalten, aber man müsse darauf achten, dass sie dem Menschen zugutekommen.
Einige Prozesse müssten automatisiert werden, weil nicht alle ausscheidenden Erwerbstätigen ersetzt werden könnten. Und der Minister plädierte in Rheydt noch einmal dafür, Anreize für mehr Tarifbindungen zu geben.
„Was ist die Motivation, eine Arbeitsstelle anzunehmen?“Auch um diese Frage ging es bei dem Festakt. Vorgaben, Kontrollen, Leistungsnachweise – oder lieber zuhören, wahrnehmen und nicht sofort bewerten? Bei der Awo habe man sich für Letzteres entschieden. „Das war für viele Unternehmen, die uns schon besucht haben, erst einmal ein richtiger Kulturschock“, sagte Awo-Mitarbeiterin und Bürgermeisterin Josefine Gauselmann. Sie ist nach eigenen Worten dennoch überzeugt von dem demokratischen Arbeitsmodell der Awo und hofft, dass viele der Idee folgen werden.