Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Wenn das ganze Kunstwerk jazzt
Mehr als vier Stunden Musik fast non-stop bot die erste Mönchengladbacher Jazz-Nacht. Dafür hatte die Kempen Big Band im Kunstwerk hiesige Ensembles um sich versammelt. Das altersmäßig durchmischte Publikum dankte mit tosendem Beifall.
WICKRATH Der erste Song auf der Setlist der Kempen Big Band heißt „Rock This Town“. Der für den Einstieg gewählte Titel sei auf die Stadt Mönchengladbach gemünztes Programm, versichert Fred Wicht, Trompeter und Band-Manager mit dem riesengroßen Wunsch, die einst lebhafte Mönchengladbacher JazzSzene neu zu beleben. Zur Verstärkung bei der ersten Mönchengladbacher Jazz-Nacht im Kunstwerk Wickrath hatte die Kempener Band den Jazz-Chor Mönchengladbach sowie die Ensembles „Rabatz!“und „Jazz-Cancers“hinzugebeten.
Organisatorisch realisiert wurde das Konzept der Band von der Heesen Group. Als Schirmherr generiert der Rotary Club Mönchengladbach Niers aus der Beteiligung an den Eintrittskarten Spenden zugunsten der musikalischen Förderung von bedürftigen Kindern und Jugendlichen.
Entsprechend der Idee „Die Tür geht auf, und das Konzert beginnt“startet die Show am Samstagabend tatsächlich mit der Einlasszeit. Eine Stunde vor dem Start des Bühnenprogramms
zieht die Gruppe „Rabatz!“zum Spiel einer Mischung unterschiedlicher Jazz-Stile als Marching-Band mit Rhythmus- und Blasinstrumenten durch den Saal. Der unvermittelte Beginn überrascht und unterstreicht zugleich die Atmosphäre unter den Kronleuchtern des Kunstwerks.
Die Kempen Big Band eröffnet dann das Bühnenprogramm im temporeichen und temperamentvollen Spiel. Unter Markus Türks Leitung begeistert sie mit sattem Big-Band-Sound und ausgiebig zelebrierten Solo-Einsätzen wechselnder Instrumente. Bestens eingefügt in die Auswahl klassischer JazzStandards ist Türks Komposition „How can you close your eyes?“, geschrieben während der Corona-Zeit.
Auch hier reißen die Musiker ihr Publikum mit tollem Sound und herrlichen Soli für Tenor- und Altsaxophon mit. Bonbons der ExtraKlasse liefert der junge Sänger Ilyas Adjana mit ausdrucksstarker Stimme, starker Bühnenpräsenz und Rhythmus im Blut. Für den derzeit „festen Sänger“der Band steht bald die Aufnahmeprüfung an der Folkwang Musikhochschule an. Das Publikum
im Kunstwerk hat er schon jetzt im Sturm erobert.
Der Jazz-Chor Mönchengladbach ist ausnahmsweise ohne Andrea Kaiser gekommen. Für die erkrankte Chorleiterin springt Antje Wald ein, die für den Abend eigens ihren Urlaub verschoben hat. „Jazz – was ist das eigentlich?“, fragt Mitsängerin Renate Budde in der Rolle der Moderatorin rhetorisch, um selbst die Antwort zu geben: Jazz ist Vielfalt mit Tönen, die glitzern, gleißen und fluoreszieren. Der Chor lässt a capella sowie zur Piano- oder Band-Begleitung mitreißend am genannten Spektrum teilhaben, etwa zum facettenreich servierten Song „Phantasy“. Apart gelingt zum Beispiel auch die Interpretation von „If I were a bell“mit stimmlich entfachtem Glockenläuten, eingebunden in den Ausdruck lebensfroher Leichtigkeit. Billy Joels Song „So it is“serviert der Chor als langsamstes Lied des Abends, um gleich darauf im temporeichen Kontrast wieder Gas zu geben.
Eine Pause im klassischen Sinn gibt es in dieser Nacht nicht. Stattdessen ist das Publikum zwischen den Programmblöcken auf der
großen Bühne zur 180-Grad-Wendung aufgefordert, um die kleine Seitenbühne im hinteren Bereich zu entdecken. Hier servieren fünf Profi-Musiker, hervorgegangen aus der Gladbacher Rhythm- und BluesBand „Red Hot Cancers“, gepflegten und schwungvollen Jazz. Dafür bietet das hier gegebene Umfeld einen intimen Rahmen, der die Stimmung eines Jazz-Clubs assoziiert.
Nach dem energiegeladenen Finale von Chor, Big Band und Solist auf der großen Bühne und dem danach aufbrandenden, starken Beifall stellt Fred Wicht die alles entscheidende Frage für die erhoffte Zukunft der Mönchengladbacher Jazz Nacht: „Wollt ihr zur zweiten Nacht am 17. Mai 2025 wiederkommen?“, ruft der Trompeter der Kempen Big Band den Besucherinnen und Besuchern zu. Das entschiedene „Ja“im vielstimmigen Unisono des altersmäßig durchmischten Publikums dürfte ihn und alle weiteren Akteure sehr gefreut haben. Die Jazz-Cancers unterlegen an diesem Abend musikalisch den Kehraus der Scheidenden und bieten einen Nachschlag für die Nachtschwärmer.