Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Ausbruch aus dem Ehetrott
In der Komödie „It’s Raining Men“beginnt eine gelangweilte Zahnärztin Affären per Dating-App. Das ist unterhaltsam inszeniert, bleibt aber zu brav.
(kna) Verspannung pur. Der Osteopath muss einige Kraft aufwenden, um mit den Blockaden im Körper von Iris (Laure Calamy) halbwegs zurechtzukommen. Ob sie Sorgen oder Probleme habe, will er wissen. Doch die Mittvierzigerin kann nur auf ein durchschnittliches Maß verweisen. Mit vielem müsste sie nach landläufiger Meinung sogar hochzufrieden sein, etwa mit ihrem Beruf als Zahnärztin in einer gut gehenden Praxis, einer langen Ehe mit einem sympathischen Mann und zwei Töchtern, die keinen Grund zur Besorgnis geben.
Was also lässt Iris so verkrampfen? Während sie sich beim Osteopathen noch um eine konkrete Antwort herumdrückt, redet sie wenig später mit einer Freundin Klartext. In ihrer Ehe spiele Zärtlichkeit keine große Rolle mehr; von Leidenschaft und Sex ganz zu schweigen. Ihr Gatte Stéphane (Vincent Elbaz) scheint damit zufrieden zu sein, zu arbeiten und sich abseits davon nur dort zu engagieren, wo es nottut, etwa bei den Kindern. Den Umgang mit seiner Frau hat er dauerhaft in den Status eines routinierten Nebeneinanderlebens verschoben.
Regisseurin Caroline Vignal beginnt ihre Komödie „It‘s Raining Men“mit ähnlichen Rahmenbedingungen wie in „Mein Liebhaber, der Esel und ich“(2020). Erneut steht eine temperamentvolle Frau im Zentrum, die in ihrem Liebesleben unausgefüllt ist und deswegen eine Hals-über-Kopf-Entscheidung trifft, um das ersehnte Glück zu erzwingen. Wo im Vorgängerfilm die Hauptfigur aber noch um die
Aufmerksamkeit ihres verheirateten Geliebten kämpfte, indem sie endlich den „Richtigen“gefunden zu haben glaubte, richtet Iris ihre Hoffnung ganz auf den Ausbruch aus ihrer Ehe. In einer Dating-App sucht sie nach geeigneten Kandidaten fürs Fremdgehen – und kann sich vor Anfragen fast nicht mehr retten. Eine neue Beziehung soll dabei erklärtermaßen nicht zustande kommen, wie sie ihren sich bald häufenden Liebhabern klarmacht.
Der Film setzt nach ersten Anlaufschwierigkeiten auf eine Parade von Liebhabern, mit denen es zu mal kurzen, mal etwas längeren Treffen kommt. Peinlichkeiten und scheiternde Begegnungen bleiben dabei zwar nicht aus, doch im Großen und Ganzen erreicht Iris, was sie sich versprochen hat. Allerdings erfordert das eine neue Form von Organisationstalent, unter der vor allem ihre Arbeit leidet. Zu Hause fällt ihr zusehends unerklärliches Verhalten zwar auch auf, doch den Grund erahnen weder der Ehemann noch ihre Töchter.
Dramaturgisch hat der Film leider Schwierigkeiten, sich auf die Sinnsuche
der Hauptfigur in Gänze einzulassen. Iris‘ Wille, sich auszuleben, bleibt letztlich aber innerhalb klarer Schranken. Entsprechend sind die Sexszenen zwar offenherziger gefilmt als etwa in englischsprachigen Liebeskomödien, aber doch dezent und ohne größere Abweichungen von heterosexuellen Normen. Die Liebhaber sind alles in allem recht farblos und bleiben damit auch als Figuren das, was sie für Iris ja erklärtermaßen sind: austauschbar.
„It‘s Raining Men“ist zu nummernartig und zu locker in der Konstruktion; manche Einfälle wie ein zu ausführlicher Strip oder ein im Taxi mitgesungenes Lied wollen auch nicht zünden. Vieles davon kann Laure Calamy mit vielfältigem Mienenspiel zwar auffangen, doch die schwächeren Ideen des Drehbuchs vermag auch sie nicht alle auszugleichen. Als Film über eine Rebellion ist das alles doch etwas brav.