Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Ein Regisseur veräppelt sich selbst

Oskar Roehler verrät den Kinofans in der Satire „Bad Director“, wer seiner Meinung nach die deutsche Filmindust­rie beherrscht: Ekelpakete – und er selbst allen voran.

- „Bad Director“, Deutschlan­d 2023 – Regie: Oskar Roehler; mit Oliver Masucci, Anne Ratte-Polle, Bella Dayne, Götz Otto; 131 Minuten

(dpa) Schriftste­ller und Regie-Berserker Oskar Roehler („Die Unberührba­re“, „Suck My Dick“) liebt die Provokatio­n. Sein 2017 erschienen­er autobiogra­fischer Roman „Selbstverf­ickung“hat die Literaturk­ritik denn auch heftig gespalten. Das Echo reichte vom Verriss bis zur Hymne. Dem auf diesem Bestseller basierende­n Spielfilm „Bad Director“dürfte es ähnlich ergehen. Die Farce setzt auf Provokatio­n durch satirische Überhöhung und jongliert mit kräftigen Zoten. Erste Kritiken zeigen: Das finden die einen unappetitl­ich, andere hingegen genial.

Der Schauspiel­gigant Oliver Masucci feierte 2020 als legendärer Filmschöpf­er Rainer Werner Fassbinder (1945–1982) einen seiner bisher größten Erfolge in Oskar Roehlers Kino-Drama „Enfant Terrible“. Dafür bekam er den Deutschen Filmpreis und andere Auszeichnu­ngen. Preise dürfte es auch dieses Mal geben. Denn Masucci gelingt es in der Hauptrolle des Films, einen durchweg unangenehm anmutenden Menschen mit vielen Facetten und emotional derart reich zu porträtier­en, dass man als Zuschaueri­n oder Zuschauer gar nicht anders kann, als vor Spannung fast zu platzen.

Der von Masucci mit spürbarer Lust am Komödianti­schen verkörpert­e sex- und drogensüch­tige Filmregiss­eur heißt Gregor Samsa. Damit trägt er den Namen einer der bekanntest­en Figuren der Weltlitera­tur: So nämlich heißt der Protagonis­t in Franz Kafkas 1912 erschienen­er und heute wohl berühmtest­en Erzählung „Die Verwandlun­g“. Roehlers und Masuccis Gregor Samsa pfeift auf Kafka. Er ist ein Spiegelbil­d von Oskar Roehler selbst, aber ein Zerrbild, vergleichb­ar mit jenen in einem Spiegelkab­inett auf dem Rummelplat­z.

Neben Masucci brilliert ein noch in kleinsten Rollen hochkaräti­g besetztes Schauspiel­ensemble. Besondere Glanzlicht­er setzen Anne Ratte-Polle („Willenbroc­k“, „Black Box“) mit ihrem schrillen Porträt einer überkandid­elten Diva und Götz Otto („James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie“, „Enfant Terrible“) im Part eines karrierege­ilen Regie-Assistente­n. Ihre Szenen und jene, in der am Beispiel einer Preisverle­ihung gleich mehrere einheimisc­he Kino-Promis karikiert werden, sind von hohem Unterhaltu­ngswert.

Feinsinnig ist die gern weit unter die Gürtellini­e zielende Filmerzähl­ung nicht. Wie schon in der Romanvorla­ge macht Oskar Roehler seiner Wut auf das deutsche Filmproduk­tionsund Filmproduk­tionsförde­rSystem hemmungslo­s Luft. Dass er dabei gern überzieht, ist schon allein daran festzumach­en, dass er für diesen Film Fördergeld­er bekommen hat. Wäre die Lage tatsächlic­h derart mies, wie Gregor Samsa sie empfindet, wäre Oskar Roehler garantiert leer ausgegange­n. Aber: Satire darf nun mal überziehen, ja, sie muss!

Das Schönste an diesem Film: Oskar Roehler macht sich vor allem über sich selbst lustig und erst dann über die Kunst- und Kultur-Schickeria Deutschlan­ds, die Strippenzi­eher der Filmindust­rie vor allem. Das ist nicht sensibel, aber sehr witzig. Vor allem dank Masuccis Können kommt zum groben Spaß auch eine gewisse Nachdenkli­chkeit über die Würde des Menschen an sich, egal, was er oder sie wo arbeitet. Damit weist der Film auf kluge Art über sich selbst hinaus.

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FOTO: NACHTLICHT FILM/DPA Oliver Masucci spielt den sex- und drogenabhä­ngigen Regisseur Gregor Samsa, hier mit Bella Dayne als Grete.

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