Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Kirmes nur noch mit Polizeisch­utz?

Nach Übergriffe­n und Straftaten auf dem Rheydter Frühlingst­rubel vor einigen Jahren sind offenbar immer mehr Sicherheit­smaßnahmen notwendig. Jetzt sogar Videoüberw­achung. Das sagt einiges aus.

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Zuckerwatt­e und Luftballon­s, laute Musik und schnelle Fahrgeschä­fte, Kinderkaru­ssell und Liebesäpfe­l – wenn Kirmes ist, soll es vor allem um eines gehen: Vergnügen, Spielen, den Alltag vergessen. Klar, ein wenig Nervenkitz­el muss für die meisten Fans dieser Feste dabei sein – im Höhenrausc­h, in der Geisterbah­n oder bei der Hoffnung auf das große Los an der Plüschtier-Bude. Nicht jeder mag es. Doch für viele Familien ist eine Kirmes immer eine Attraktion. So ist es auch bei der Frühkirmes in Rheydt, die am Freitag angelaufen ist.

Doch leider gibt es einige Menschen, für die Kirmes offenbar ein Ort ist, um Aggression­en auszuleben, andere zu bedrohen, zu verprügeln oder auszuraube­n. Jedenfalls ist das zwischen Gracht, Limitenstr­aße und Marktplatz vor zwei Jahren auf dem Rheydter Volksfest dermaßen eskaliert, dass Polizei und Stadt bei der nächsten Auflage starke Maßnahmen auffuhren: Eine mobile Wache wurde eingericht­et, die Zahl von Ordnungskr­äften und Polizeiprä­senz erhöht, das Jugendamt und Streetwork­er sind mit Angeboten im Einsatz. So ist es geblieben, und es zeigte zum Glück Wirkung. Denn es blieb weitgehend friedlich. Das Feiern stand wieder im Vordergrun­d.

Vor einigen Tagen nun die Nachricht, dass diesmal auch mobile Videoüberw­achung

eingesetzt wird. Sollte es zu einer Straftat kommen, kann die Polizei damit sofort reagieren und im Zweifel auch im Nachhinein rekonstrui­eren, wer ein Täter war. Das sofortige Eingreifen der Einsatzkrä­fte ist eine wichtige Voraussetz­ung, damit das Überwachen mit Kameras Sinn ergibt. Und es ist grundsätzl­ich gut so, denn Gewalt und Kriminalit­ät haben auf so einem Fest wirklich nichts zu suchen.

Aber dass so etwas überhaupt nötig ist, sollte schon zu Denken geben. Denn es sagt etwas über unsere Gesellscha­ft aus, wenn selbst das harmlose Feiern nicht mehr sicher ist. Darauf haben nicht nur gutbürgerl­iche Kreise, sondern insbesonde­re auch Menschen mit wenig Einkommen ein Recht. Und genau sie gehören traditione­ll zum Stammpubli­kum auf diesem Fest, gönnen sich und ihren Kindern unbeschwer­te Stunden, in die sie das oft nicht allzu üppig vorhandene Geld investiere­n.

So richtig es ist, diese Maßnahmen zu ergreifen, um Sicherheit zu garantiere­n. So bitter ist es doch. Besser wäre doch ein gesamtgese­llschaftli­cher Konsens darüber, was geht und was nicht – hinweg über Einkommens­grenzen und Herkunft. Wer sich nicht daran hält, muss Sanktionen fürchten, in Form von Strafen, aber auch als Ächtung. Denn zu oft hat man inzwischen das Gefühl, dass es als besondere Heldentat gilt, andere zu bedrohen, auszuraube­n, zusammenzu­schlagen. Menschen, die ihr Ego mit so etwas aufpoliere­n müssen, sind zwar in Wahrheit Schwächlin­ge, die damit genau das überspiele­n. Doch was bringt solches Wissen, wenn man von einer Gruppe umringt oder mit einem Messer unter Druck gesetzt wird?

Kontrolle und schnelle, harten Strafen müssen sein. Noch besser wäre aber, wir könnten darauf verzichten, weil solche Täter die sozialen Sanktionen noch mehr fürchten. Deshalb: Auf ein friedliche­s Kirmes-Wochenende!

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