Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
„Darum sollte Gladbach ein Zeichen setzen“
Der frühere Bundestrainer nimmt Gerardo Seoane in Schutz. Was er vorschlägt, um den Schweizer zu stärken.
Der Punkt bei Werder Bremen ist Gold wert für Borussia, ich denke, damit ist die Abstiegsgefahr gebannt. Ich würde mir aber wünschen, dass es die Gladbacher nun gegen Eintracht Frankfurt mit einem Heimsieg endgültig alles klar machen. Gerade zu Hause haben die Borussen einiges gutzumachen in dieser Saison, von einer Festung ist der Borussia-Park weit entfernt. Im eigenen Stadion muss eigentlich die Basis gelegt werden – das ist ein wichtiger Ansatz für die neue Saison. Darum wäre es für den Kopf gut, wenn im eigenen Stadion mit einem Sieg das Thema Abstieg endgültig zu den Akten gelegt wird.
Dann müssen die Borussen alles auf den Prüfstand stellen, um aufzuarbeiten, woran es gelegen hat, dass die Saison so problematisch war. Vor allem die Defensive muss Trainer Gerardo Seoane in den Griff bekommen. Über 60 Gegentore sind kaum aufzufangen. Es muss ein klarer Abwehrchef da sein, einer, der die Kommandos gibt, der alles organisiert. Und klar ist: Es müssen alle vernünftig mit nach hinten arbeiten. Da gibt es immer wieder zu große Lücken.
Zu Seoane: Es wird spekuliert, ob er noch der richtige Trainer ist. Sein Punkteschnitt spricht natürlich gegen ihn. Aber ich sehe nicht, dass der Trainer das grundlegende Problem ist. Sicherlich muss er selbst einiges überdenken, aber vor allem sehe ich die Mannschaft in der Verantwortung. Die Kaderplaner sind gefragt, die Gruppe entsprechend zu verändern – mit Spielern, die viel mehr als jetzt Erfolg wollen und auf die sich der Trainer verlassen kann. Es gab so viele unglaubliche individuelle Fehler – das ist für mich nicht Trainersache, das hat mit der Einstellung und der Konzentration der Spieler zu tun.
Aus meiner Sicht wäre es wichtig, wenn der Klub den Trainer endlich wieder richtig stützen würde. Darum sollte Gladbach ein Zeichen setzen und sogar mit Seoane verlängern, um allen im Team klar zu machen, dass der Trainer der rote Faden ist. Noch mal: Natürlich hat
Seoane nicht alles richtig gemacht, doch man darf auch nicht vergessen, dass es eine gewisse Zeit braucht, etwas zu entwickeln. Der Kader ist schwierig, wegen der vielen Trainerwechsel der vergangenen Jahre stecken zu viele verschiedene Ansätze und Ideen darin.
Man darf auch nicht vergessen, dass viele Spieler neu waren in der Bundesliga. Selbst für Spieler, die viel Erfahrung aus anderen Ligen mitbringen, ist es nicht leicht, sich an die Qualität der deutschen Bundesliga zu gewöhnen, auch wenn diese im Vergleich zur Premier League deutlich hinten dran ist.
Aber in Frankreich, den Niederlanden oder Tschechien ist das Tempo weit geringer – und auch von der Mentalität her ist es etwas anderes. In der Bundesliga gibt es kein Spiel, in dem 70 oder 80 Prozent zum Sieg reichen, da sind immer 100 Prozent gefragt.
Auch der Trainer muss sich einfinden in der Situation. Vorher in Leverkusen hatte er eine ganz andere Qualität von Spielern, da waren es positive Egoisten, die er zusammenbringen musste, hier hat er viele Spieler, die Angst haben, Fehler zu machen. Da ist keine Sicherheit, keine Selbstverständlichkeit, da fängt der Trainer im Grunde bei null an. Und jeder Ausfall, jede Stimmungsschwankung kann sich auswirken auf das Spiel. Das ist es, was mit Stabilität gemeint ist. Die aufzubauen, dauert. Da muss ich Seoane in Schutz nehmen.
Was ich an seiner Stelle machen würde: Er sollte seinen Trainerstab einladen und zwei, drei Tage in Klausur gehen in einer guten Atmosphäre und ganz in Ruhe, ohne Management,
nur mit den Trainern. Seoane muss jedem seiner Assistenten klar machen, was er von ihm erwartet, es muss Tacheles gesprochen werden. Was haben wir falsch gemacht, worauf können wir aufbauen, was können wir verändern?
Jeder, auch Seoane, muss sich selbstkritisch die Frage stellen: Wie kann ich mehr zum Erfolg beitragen? Und: Mit welchen Spielern können wir unsere Ideen wirklich umsetzen, von wem müssen wir uns vielleicht trennen, was genau brauchen wir, um weiterzukommen? Abends sitzt man dann bei einem guten Glas Wein zusammen, auch das gehört dazu. Es wäre eine Art Teambuilding im Trainerteam. Ich glaube, das wäre sehr effektiv.
Berti Vogts