Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

„Darum sollte Gladbach ein Zeichen setzen“

Der frühere Bundestrai­ner nimmt Gerardo Seoane in Schutz. Was er vorschlägt, um den Schweizer zu stärken.

- (77) ist Borussias Rekordspie­ler. Er wurde als Spieler Welt- und Europameis­ter, 1996 führte er das DFBTeam als Bundestrai­ner zum EM-Sieg. Vogts gehört zum Kolumniste­n-Kreis unserer Redaktion, der sich exklusiv mit Themen rund um Borussia Mönchengla­dbach b

Der Punkt bei Werder Bremen ist Gold wert für Borussia, ich denke, damit ist die Abstiegsge­fahr gebannt. Ich würde mir aber wünschen, dass es die Gladbacher nun gegen Eintracht Frankfurt mit einem Heimsieg endgültig alles klar machen. Gerade zu Hause haben die Borussen einiges gutzumache­n in dieser Saison, von einer Festung ist der Borussia-Park weit entfernt. Im eigenen Stadion muss eigentlich die Basis gelegt werden – das ist ein wichtiger Ansatz für die neue Saison. Darum wäre es für den Kopf gut, wenn im eigenen Stadion mit einem Sieg das Thema Abstieg endgültig zu den Akten gelegt wird.

Dann müssen die Borussen alles auf den Prüfstand stellen, um aufzuarbei­ten, woran es gelegen hat, dass die Saison so problemati­sch war. Vor allem die Defensive muss Trainer Gerardo Seoane in den Griff bekommen. Über 60 Gegentore sind kaum aufzufange­n. Es muss ein klarer Abwehrchef da sein, einer, der die Kommandos gibt, der alles organisier­t. Und klar ist: Es müssen alle vernünftig mit nach hinten arbeiten. Da gibt es immer wieder zu große Lücken.

Zu Seoane: Es wird spekuliert, ob er noch der richtige Trainer ist. Sein Punkteschn­itt spricht natürlich gegen ihn. Aber ich sehe nicht, dass der Trainer das grundlegen­de Problem ist. Sicherlich muss er selbst einiges überdenken, aber vor allem sehe ich die Mannschaft in der Verantwort­ung. Die Kaderplane­r sind gefragt, die Gruppe entspreche­nd zu verändern – mit Spielern, die viel mehr als jetzt Erfolg wollen und auf die sich der Trainer verlassen kann. Es gab so viele unglaublic­he individuel­le Fehler – das ist für mich nicht Trainersac­he, das hat mit der Einstellun­g und der Konzentrat­ion der Spieler zu tun.

Aus meiner Sicht wäre es wichtig, wenn der Klub den Trainer endlich wieder richtig stützen würde. Darum sollte Gladbach ein Zeichen setzen und sogar mit Seoane verlängern, um allen im Team klar zu machen, dass der Trainer der rote Faden ist. Noch mal: Natürlich hat

Seoane nicht alles richtig gemacht, doch man darf auch nicht vergessen, dass es eine gewisse Zeit braucht, etwas zu entwickeln. Der Kader ist schwierig, wegen der vielen Trainerwec­hsel der vergangene­n Jahre stecken zu viele verschiede­ne Ansätze und Ideen darin.

Man darf auch nicht vergessen, dass viele Spieler neu waren in der Bundesliga. Selbst für Spieler, die viel Erfahrung aus anderen Ligen mitbringen, ist es nicht leicht, sich an die Qualität der deutschen Bundesliga zu gewöhnen, auch wenn diese im Vergleich zur Premier League deutlich hinten dran ist.

Aber in Frankreich, den Niederland­en oder Tschechien ist das Tempo weit geringer – und auch von der Mentalität her ist es etwas anderes. In der Bundesliga gibt es kein Spiel, in dem 70 oder 80 Prozent zum Sieg reichen, da sind immer 100 Prozent gefragt.

Auch der Trainer muss sich einfinden in der Situation. Vorher in Leverkusen hatte er eine ganz andere Qualität von Spielern, da waren es positive Egoisten, die er zusammenbr­ingen musste, hier hat er viele Spieler, die Angst haben, Fehler zu machen. Da ist keine Sicherheit, keine Selbstvers­tändlichke­it, da fängt der Trainer im Grunde bei null an. Und jeder Ausfall, jede Stimmungss­chwankung kann sich auswirken auf das Spiel. Das ist es, was mit Stabilität gemeint ist. Die aufzubauen, dauert. Da muss ich Seoane in Schutz nehmen.

Was ich an seiner Stelle machen würde: Er sollte seinen Trainersta­b einladen und zwei, drei Tage in Klausur gehen in einer guten Atmosphäre und ganz in Ruhe, ohne Management,

nur mit den Trainern. Seoane muss jedem seiner Assistente­n klar machen, was er von ihm erwartet, es muss Tacheles gesprochen werden. Was haben wir falsch gemacht, worauf können wir aufbauen, was können wir verändern?

Jeder, auch Seoane, muss sich selbstkrit­isch die Frage stellen: Wie kann ich mehr zum Erfolg beitragen? Und: Mit welchen Spielern können wir unsere Ideen wirklich umsetzen, von wem müssen wir uns vielleicht trennen, was genau brauchen wir, um weiterzuko­mmen? Abends sitzt man dann bei einem guten Glas Wein zusammen, auch das gehört dazu. Es wäre eine Art Teambuildi­ng im Trainertea­m. Ich glaube, das wäre sehr effektiv.

Berti Vogts

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FOTO: IMAGO Berti Vogts

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