Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich
Ein Lüpertz-Fenster für die Franziskuskirche
Er ist in Rheydt aufgewachsen, hat dort sein Atelier. Nun schenkt der renommierte Künstler Markus Lüpertz der Gemeinde St. Franziskus ein von ihm gestaltetes Fenster. Es ist nicht sein erstes Werk für die Kirche, an die ihn eine Freundschaft bindet.
Die Kirche an der Schlossstraße ist leer an diesem späten Dienstagabend. Zumindest fast leer. Das Hauptportal ist verschlossen, nur durch den Seiteneingang gelangt man hinein. Dort sitzt Pfarrer Klaus Hurtz auf einer der hinteren Bänke. Von der Empore schallt Musik in den Kirchenraum. Es ist nicht der Klang der Orgel wie bei Gottesdiensten. „Es ist unser kleines Piano“, sagt Hurtz. Vom Spieler ist nur ein Hut zu sehen. Wer es ist? „Der Künstler“, sagt Hurtz und lächelt vielsagend.
Der Künstler, dessen Finger flink und konzentriert über die Tasten fliegen, der improvisiert, sich eine FreeJazz-Session mit sich selbst gönnt, ist Markus Lüpertz. Er gehört zu den bekanntesten deutschen Gegenwartskünstlern, ist Maler, Bildhauer, Grafiker – und Musiker. „Ich habe meine Band“, erklärt er die klangliche Improvisationslust. „Wir treten auch auf, bei Ausstellungen zum Beispiel.“Auch hier in St. Franziskus sei etwas geplant. Lüpertz und Hurtz werfen sich Blicke zu. Noch wird dazu nichts verraten.
Aber klar ist: Diese beiden verbindet eine Freundschaft, die bereits zu gegenseitig Bereicherndem geführt hat. „Totentanz“heißt ein Bilderzyklus, der den Chorraum auf 33 Metern Länge und über den Köpfen der Gläubigen einrahmt. Vergangenes Jahr hatte Lüpertz, der mehr als 20 Jahre Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie war, zwei seiner großformatigen Holzschnitte und eine 200 Kilogramm schwere Skulptur als „Sommergäste“für einige Wochen in die Franziskuskirche geschickt.
An diesem Spätnachmittag ist er gekommen, um Piano zu spielen, vor allem aber, um sein neues Werk in der Kirche in Geneicken zu betrachten. Es ist ein Fenster, das er gestaltet hat. Ein Motiv aus den Entwürfen für die
Kölner Basilika St. Andreas, in der inzwischen fast alle Fenster von ihm gestaltet sind. Dieses hier ist 60 Zentimeter breit und 1,15 Meter hoch. Es befindet sich nahe dem Haupteingang, an der Treppe, die zur Empore führt. Wenn Hurtz künftig predigt, hat er es genau im Blick.
Es zeigt im typischen Lüpertz-Stil eine Figur, eine Hand gen Himmel gestreckt, die Lippen für eine Botschaft geöffnet, der Blick konzentriert-beseelt. „Das ist der Verkündigungsengel“,
sagt Hurtz und weist auf die prismenartigen Glaselemente in den Mundwinkeln, die das Tageslicht zum Schimmern bringt. Bevels heißen die in der Fachsprache. Für den Pfarrer strahlen sie wie Edelsteine – und die Botschaft könnte nicht passender für das anstehende Pfingstfest sein. „Jedes Wort, das aus diesem Mund des Verkündigungsengels kommt, ist kostbarer als jeder Diamant auf der Erde“, sagt Hurtz. Der Engel überbringe Maria die Botschaft, dass die
Macht des Heiligen Geistes über sie kommen werde. Im Pfingstgottesdienst will er das neue Werk und dessen Verkündigung der Gemeinde präsentieren.
Es ist ein Geschenk des Künstlers, wie auch schon der „Totentanz“. Der scheint zwar wie gemacht zu sein für das markante Kirchengebäude, das Anfang der 1930er-Jahre nach einem Entwurf des Architekten Dominikus Böhm gebaut worden ist. So gut passen die einzelnen Tafeln des Zyklus hinein. Vorbild dafür war jedoch der „Lübecker Totentanz“des Malers Bernt Notke. Das Werk aus dem Mittelalter in der Lübecker Marienkirche war im Zweiten Weltkrieg jedoch zerstört worden. Der Zyklus von Lüpertz wurde in Lübeck nicht dauerhaft aufgehängt, fand aber schließlich mit der Schenkung 2006 in der Franziskuskirche seinen endgültigen und perfekten Platz.
Zu Rheydt hat Lüpertz eine besondere Beziehung. Als Kind aus seiner böhmischen Heimat geflohen, wuchs er hier auf. Damals habe Rheydt eine „sehr eigene Gastronomiekultur“gehabt. Viele junge Menschen, die in Städten der Region studierten, „haben hier gewohnt und das Leben geprägt“. Vor einigen Jahren kehrte er zurück, richtete ein Atelier an der Wilhelm-Strauß-Straße ein. Die Geneickener Kirche liegt nur rund einen Kilometer Fußweg entfernt. „Sie ist mir ans Herz gewachsen“, sagt der 83-Jährige. So wie Kirchen ganz allgemein.
Bundesweit hat Lüpertz Fenster für Gotteshäuser entworfen, manches war umstritten. So wie sein Reformationsfenster in der Marktkirche in
Hannover, das auf einen Vorstoß des Ex-Kanzlers und Lüpertz-Freundes Gerhard Schröder initiiert worden war. Wegen gerichtlichen Einspruchs des Kirchen-Architekten und der Finanzierung durch Spenden war es zu Verzögerungen gekommen. Dieses Fenster emotionalisiert – zieht aber auch viele Besucher an. Solcher Protest ist in der katholischen Gemeinde St. Franziskus in Mönchengladbach ebenso wenig zu erwarten wie in der Kölner Basilika St. Andreas.
„Ich arbeite viel für Kirchen“, sagt Lüpertz. Persönliche Bezüge hat er zu beiden christlichen Religionen. „Ich war Protestant, wurde in der Hauptkirche am Rheydter Marktplatz konfirmiert“, sagt er. Ende der 1950er verbrachte Lüpertz fast ein Jahr im Benediktinerkloster Maria Laach, konvertierte als Student zum Katholizismus. In seiner Kunst setzt er Bezüge zur klassischen Antike, verknüpft naturalistische Elemente mit Kulturgeschichte, wechselt zwischen Genres, war Bühnen- und Kostümbildner in Regensburg und Berlin, führte am Staatstheater Meiningen bei Puccinis Oper „La Bohème“zusätzlich Regie.
Auf dem kleinen Platz vor der Kirche steht die Skulptur des Heiligen Franziskus, des Namensgebers der Kirche. Gefertigt hat sie Bert Gerresheim aus Düsseldorf, auch er ist mit Hurtz seit Langem befreundet. Das Lüpertz-Fenster wirkt von hier aus unscheinbar, das Motiv, die Farbigkeit, sind nicht zu erahnen, entfalten ihre Wirkung erst drinnen, beim Blick Richtung Tageslicht. Eine Fortsetzung soll folgen. „Wir haben noch Größeres vor“, verspricht Hurtz.