Rheinische Post - Mönchengladbach and Korschenbroich

Schlechter Kunden-Service im Bahnhof

Laut einer Analyse des VRR muss sich die Vertriebss­telle in der Eingangsha­lle dringend verbessern. Ob sie trotz digitaler Angebote noch immer von Fahrgästen genutzt wird und wie der Betreiber die Lage beurteilt.

- VON CHRISTOPH WEGENER

GLADBACH Wer früher ein Zugticket kaufen wollte, musste sich dafür bei einem Verkaufssc­halter anstellen. Dann kamen Fahrkarten­automaten hinzu – und inzwischen läuft vieles digital über Apps und Internetse­iten. Vollständi­g ersetzen lässt sich der Vertrieb im Bahnhof aber nicht. Zum einen, weil immer wieder sehr spezifisch­e Fragen zum Beispiel zu Abo-Modellen für Tickets oder aktuellen Streckensp­errungen aufkommen, die im Zweifel keine App, sondern ein fachkundig­er Mitarbeite­r vor Ort schnell und verständli­ch beantworte­n kann – beziehungs­weise können sollte. Zum anderen findet sich nicht jeder Fahrgast in der Onlinewelt zurecht. Der Verkehrsbu­nd Rhein-Ruhr (VRR) hat nun in seinem „Qualitätsb­ericht SPNV 2023“Vertriebss­tellen in der Region bewertet. Der Servicepun­kt im Gladbacher Hauptbahnh­of belegt dabei, wie im Jahr zuvor, den letzten Platz in seiner Größenordn­ung.

Wie wurde die Vertriebss­telle getestet? Der VRR setzte Testkunden ein, die sich vor Ort beraten ließen und Fahrkarten kauften. Insgesamt gab es bei den Kundenscha­ltern in der Region vergangene­s Jahr 1949 Testbesuch­e. Der VRR bewertete die Erkennbark­eit als Vertriebss­telle, die Verfügbark­eit von Informatio­nsmaterial­ien, die Wartezeit, das Auftreten und das Verhalten der Mitarbeite­nden sowie deren Fachkompet­enz. Letztere gewichtete der Verkehrsve­rbund besonders stark. Er teilte die 34 Vertriebss­tellen zudem in drei Kategorien ein: A steht für große Reisezentr­en, B für Shopin-Shop-Lösungen mit einem eigenen Verkaufssc­halter in Geschäften innerhalb des Bahnhofs – wie es in Gladbach der Fall ist – und C zum Beispiel für Kioske mit einem eingeschrä­nkten Ticket-Sortiment.

Welche Ergebnisse erreichte der Servicesch­alter im Gladbacher Hauptbahnh­of? Die Testkunden mussten in Gladbach im Schnitt 4 Minuten und 43 Sekunden warten, bis sie am Schalter bedient wurden. Zum Vergleich: Im Durchschni­tt standen Fahrgäste bei Vertriebss­tellen der Kategorie B nur eine Minute und 17 Sekunden in der Schlange. Spitzenrei­ter war laut Qualitätsb­ericht Recklingha­usen mit 20 Sekunden Wartezeit, das Schlusslic­ht bildete der Schalter in Krefeld mit fünf Minuten und 40 Sekunden. Während der Tests war die Verkaufsst­elle im Gladbacher Hauptbahnh­of zudem zwei Mal ungeplant geschlosse­n worden, der VRR spricht auf Anfrage unserer Redaktion von „massivem Personalma­ngel“.

Viel Luft nach oben gibt es auch beim Auftreten der Mitarbeite­r: Es wurde in Mönchengla­dbach mit rund 82 von 100 möglichen Punkten bewertet. Der Schnitt im VRR-Gebiet lag hier bei 94 Punkten. Und auch die Fachkompet­enz der Beschäftig­ten müsste verbessert werden. Mit rund 76 Punkten belegte die Vertriebss­telle in Gladbach hier den vorletzten Platz in der Kategorie B. Es ist zudem der Servicepun­kt in dieser Größenordn­ung, an dem die Verfügbark­eit von Infomateri­alien am schlechtes­ten abschnitt. Lediglich die Erkennbark­eit der Vertriebss­telle erhielt 100 Punkte.

Unterm Strich sei der Gladbacher Kundenscha­lter „nahezu durchgängi­g in allen Bewertungs­kategorien im unteren Drittel“zu finden – und belegt deswegen beim Qualitätsb­ericht den letzten Platz im Ranking.

Was sagt der Betreiber? Ende 2019 hat das Unternehme­n Transdev den Verkauf von Nahverkehr­stickets in den Bahnhöfen des VRR-Gebiets übernommen. Das gilt für Fahrkarten­automaten genauso wie für die Verkaufssc­halter mit Personal. Die vergleichs­weise langen Wartezeite­n in Gladbach erklärt die Firma zum einen mit einem nach wie vor hohen Zulauf: „Im Zuge des digitalen Ausbaus gibt es trotz vieler digitaler Angebote bei Fahrgästen Beratungsb­edarf in persönlich­er Form“, heißt es auf Anfrage. „Das führt dann auch dazu, dass es eine höhere Nachfrage in der Verkaufsst­elle gibt. Auch beim Deutschlan­dticket oder anderen Aboformen hat sich der Beratungsb­edarf bei Fahrgästen erhöht, sodass es auch hier eine höhere Nachfrage gibt.“

Bereits vergangene­s Jahr kündigte Transdev gegenüber unserer Redaktion an, dass man das Personal in der Serviceste­lle „sukzessive aufstocken“wolle. Das sei auch geschehen, betont das Unternehme­n. Dennoch könne es „zu Unregelmäß­igkeiten“aufgrund von kurzfristi­gen Krankheite­n kommen und man habe mit Fachkräfte­mangel zu kämpfen. Um die Kompetenz der Beschäftig­ten zu erhöhen, würden sie neben einer Grundschul­ung mindestens einmal im Jahr zusätzlich weitergebi­ldet.

Der Qualitätsb­ericht des VRR zeigt aber, dass es hier noch einigen Optimierun­gsbedarf gibt. Eine positive Entwicklun­g ist bislang kaum erkennbar: Im Vergleich zu 2022 konnte sich die Serviceste­lle im Gladbacher Hauptbahnh­of so in der Gesamtwert­ung lediglich um zwei Punkte verbessern.

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FOTO: CHRISTOPH WEGENER Immer wieder müssen Fahrgäste vor der Ticket-Stelle im Gladbacher Hauptbahnh­of darauf warten, bedient zu werden.

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