Rheinische Post Opladen

Suchtkrank­e säubern die Essener Innenstadt für Bier

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ESSEN (jeku) In orangefarb­ener Arbeitskle­idung und mit Handschuhe­n ausgestatt­et bepflanzen sie Blumenbeet­e, leeren Mülleimer und sammeln Weggeworfe­nes vom Boden auf. Es sind keine Mitarbeite­r der Stadt, sondern Suchtkrank­e, die seit gestern in der Essener Innenstadt aufräumen. Damit ist das umstritten­e Projekt „Pick up“nun gestartet: Alkoholabh­ängige sollen sinnvoll ihren Tag gestalten und ihm wieder eine Struktur geben, indem sie Müll einsammeln. Dafür bekommen sie vom Jobcenter 1,25 Euro die Stunde – von der Suchthilfe gibt es bis zu drei Flaschen Bier am Tag obendrauf.

Einer, der seit gestern an dem Projekt teilnimmt, ist Michael (54). Dem WDR erzählte er, dass er seit rund sechs Jahren keinen geregelten Tagesablau­f mehr habe. Mit dem Projekt wolle er „der Gesellscha­ft klar machen, dass auch wir etwas Sinnvolles machen können“, sagte er. Doch das Projekt ruft viele Kritiker auf den Plan. Sie werfen der Stadt vor, die Notlage der Süchtigen auszunutze­n, statt ihnen zu helfen, ihre Probleme zu bewältigen.

Zudem stellt sich die Frage nach der ethischen Vertretbar­keit: Darf man Alkoholkra­nke mit Bier bezahlen? Gegenüber dem WDR sagte eine suchtkrank­e Frau zu dem Projekt: „Sinnvoller wäre es, ihnen zu helfen, aus der Sucht zu kommen und sie nicht noch mit Alkohol zu unterstütz­en.“

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