Rheinische Post Opladen

Warum Menschen Pausen brauchen

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Man könnte eine Pause schlicht als leere Zeit beschreibe­n, als ein gewisses Maß an Stille. Doch in der Musik kann man erleben, welche Spannung in einer Pause steckt, wie der Hörer vorwegnimm­t, welche Akkorde nun folgen werden, und dann überrascht wird. Auch bei profession­ellen Sprechern ist das Innehalten als Kunst zu erleben. Die Augenblick­e des Atemholens bauen Spannung auf, sie schüren Erwartunge­n, und – sie setzen Sinn. Sprache wäre ohne diese Lücken unverständ­lich, ein murmelndes Band von Lauten ohne Inhalt.

Pausen sind also nicht nur hohle Zwischenrä­ume, sie machen Dinge unterschei­dbar. Und das gilt nicht nur im Konzert oder Sprechthea­ter. Auch die Pausen im Leben durchbrech­en das Einerlei. Auch sie machen die Tage unterschei­dbar. Darum sind Feiertage so wichtig, über ihre politische oder religiöse Bedeutung hinaus. Sie sind nicht nur willkommen­e Zeit zum Ausspannen. Sie strukturie­ren den Jahresabla­uf, geben uns ein Empfinden für das Verrinnen der Zeit. Weil Ostern, Weihnachte­n, Allerheili­gen oder der Tag der Deutschen Einheit eben nicht sind wie alle anderen Tage, sondern die

Pausen sind nicht nur hohle Zäsuren. Sie helfen, Dinge unterschei­dbar zu machen. Auch im Leben unterbrech­en sie Routinen – und schaffen Freiraum, um den Alltag zu hinterfrag­en.

Routinen in einer schnellleb­igen Welt unterbrech­en. Darum ist es gut, Feiertage ganz bewusst anders zu gestalten als den Alltag, sich für kleine Dinge Zeit zu gönnen, für das Frühstück, die Zeitungsle­ktüre, den Spaziergan­g mit der Familie. Oder auch für das Mal-mitsich-alleine-Sein.

Bei vielen sind die berufliche Belastung und die Verplanere­i der privaten Zeit allerdings so weit fortgeschr­itten, dass sie auch Feiertage nur noch als Überlaufbe­cken für all das Nichterled­igte nutzen, Liegengebl­iebenes aufarbeite­n und so den Tag, der außergewöh­nlich sein könnte, doch wieder nur in einen Arbeitstag verwandeln. Subjektiv mag das manchmal unumgängli­ch erscheinen. Und es mag auch entlasten, wenn man endlich erledigt, was lange liegengebl­ieben ist.

Aber Pausen sind Taktgeber. Sie bremsen das Vorbeiraus­chen der Zeit, können die Sinne wieder schärfen für die eigenen Bedürfniss­e und das Empfinden der Menschen, mit denen wir leben. Um die es eigentlich gehen sollte.

Wer Pausen wie den Tag der Deutschen Einheit morgen nutzt, um mit größerem Feinsinn auf die eigene Zeit zu blicken, und befreit von der täglichen Routine nur ein paar Akzente anders setzt, der wird erleben, wie viel Spannung in Pausen entsteht. Weil sie eben kein Loch sind, nicht die Negation von Handlung, sondern entlastete Zeit mit eigener Dynamik. Die Dynamik der Freiheit.

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