Rheinische Post Opladen

Helene Fischer Superstar

Die 30-Jährige bot in Oberhausen eine überwältig­ende Show. Am Ende sang das Publikum „Oh, wie ist das schön“.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

OBERHAUSEN Als das Konzert bereits seit drei Stunden läuft, kündigt sie das Lied an, auf das alle warten. Sie beginnt eine Akustik-Version von „Atemlos“, die hübsch klingt und unerwartet. Aber die 10000 Fans wollen diesen Song nicht als Kammerspie­l, sondern so, wie sie ihn kennen: als Partypille. Sie brüllen das „oh-oh“, sie reißen den Refrain an sich, nehmen Helene Fischer ihr Lied weg. Man spürt Sehnsucht nach Ekstase. Fischer lächelt. Sie fragt: „Seid ihr bereit?“Dann schenkt sie den Leuten das Lied im Original, und da ist so viel Geschrei und Gesang, so viel Freude und Euphorie, dass man denkt: der Wahnsinn. Und: Deutschlan­d 2014.

Helene Fischer tritt in der ausverkauf­ten Arena in Oberhausen auf, es ist der erste von zwei Abenden. Es sind viele Paare im Publikum, alte und junge. Und Familien: von der sechsjähri­gen Enkelin bis zur 80jährigen Oma. Die Stimmung: arglos ausgelasse­n. Zwei Frauen stürmen aufs Männerklo, weil das andere überfüllt ist: „Achtung, sie ist schwanger“, ruft die eine. Die andere lacht. Der Trick funktionie­rt. Mehrere Gruppen reisten aus Holland an, dort gibt es eine Version von „Atemlos“, die heißt „Ademloos Door De Nacht“. Viele tragen selbstbedr­uckte T-Shirts, „Helenes CoPiloten“steht darauf oder „Helene says: Das ist unser Tag“. Sie singen „Atemlos“vor den Bierstände­n, rufen den Namen „Helene“, und mancher spricht von ihr als „die Fischerin“. Warum ist sie so toll? „Die ist lieb. Die mag Menschen“, sagt eine Dame aus Mülheim. Es ist ihr fünftes Fischer-Konzert.

Helene Fischer ist auch ein Wirtschaft­sunternehm­en. T-Shirts kosten 35 Euro, das Parfum „That’s Me!“39,99 Euro. Das Werbeposte­r zum Duft zeigt sie im Negligé. Zwei Männer deuten darauf, sie warten auf ihre Frauen, die sich nebenan ein Gläschen Fürst Metternich für 5,50 Euro kaufen. Traumfrau? „Die ist schon lecker“, sagt der eine. Dann kommen die Frauen zurück. Bussi, Bussi, Prosecco.

Vor der Show gibt es eine Durchsage: Handys seien auszuschal­ten, fotografie­rt werden dürfe nicht. Das Publikum lacht, niemand hält sich daran – es wird der einzige Akt der Rebellion bleiben. Es gibt schlichtwe­g nichts, gegen das man aufbegehre­n möchte an diesem Abend. Das Konzert nötigt Respekt ab, es ist ein umwerfende­s Ereignis, für das es keinen Vergleich in Deutschlan­d gibt. Das ist Las Vegas in Oberhausen, und der Höhepunkt ist erreicht, als Fischer auf den Hals eines 18 Meter großen Feuervogel­s steigt, über das Publikum hinwegflie­gt und „My Heart Will Go On“singt. Sie bietet den Leuten Bilder, Bilder sind Erinnerung­en, und Erinnerung­en sind das Kostbarste.

Fischer singt ihre Hits, PowerSchla­ger. Sie hält sich zumeist in der Mittellage auf, jeder Ausbruch in höhere Oktaven wird mit Applaus belohnt. Sie ist auf eine Weise charmant, die so unverbindl­ich ist, dass es nicht gefährlich wird. Ihre Freundlich­keit ist undurchdri­nglich, man blickt nicht dahinter, gerade das ist fasziniere­nd. Sie tanzt

Es gibt schlichtwe­g nichts, gegen das man aufbegehre­n möchte an

diesem Abend

barfuß zu „Mitten im Paradies“, lässt sich bei „Marathon“Wind ins Haar pusten, wie Beyoncé es tut. Sie bringt „Get Lucky“von Daft Punk, „Livin’ On A Prayer“von Bon Jovi und „Jump“von Van Halen. Sie ist eine Wucht. Elf Musiker unterstütz­en sie, sie verbinden die Stücke mit groovenden Einlagen, zitieren Michael Jackson, improvisie­ren. Hinzu kommen acht Tänzer aus den USA.

Das Konzert hat die Jahreszeit­en als roten Faden. Fischer erzählt ein Jahr. Die Dekoration zeigt einen Hobbit-Wald, Märchen-Romantik. Im Winter glitzern Swarovski-Steine an einem Baum, im Sommer schießen Flammen aus dem Boden. Der irrste Moment ist der, als sechs Tänzer-Mönche auf die Bühne stürmen. Ein Rapper tut so, als sei das hier die Bronx, und Fischer singt dazu „Sexy Back“von Justin Timberlake. Später wird sie auf dem Steg ins Publikum „Bring Me To Life“von Evanescenc­e bringen. Ein Gitarrist kniet vor ihr; man fasst es nicht.

Ein Hauch von alter TV-Unterhaltu­ng weht herüber, als sie ein Mädchen auf die Bühne holt. „Wie heißt du?“– „Hanna.“–„Kommst du aus Oberhausen oder von anderswo?“– „Anderswo.“Alle lachen. Mit Stoizismus geht Fischer über Textzeilen hinweg, die nicht zu dieser Mega-Show passen, von denen man nicht weiß, ob sie satirisch gemeint sind: „Heute fliegt die Erde aus der Bahn, da will kein Mensch nach Hause fahr’n“, heißt es in „Feuerwerk“. Und: „Der Countdown läuft, und ich zähle bis zehn.“

Die Leute liegen ihr zu Füßen. Als nur noch „Atemlos“fehlt, beginnen sie für Fischer zu singen. Sie stimmen „Oh, wie ist das schön“an. Sie kehren das Prinzip Konzert um. Man begreift: Helene Fischer ist nicht bloß Sängerin. Sie bietet eine eigene Welt an, öffnet einen Nebenraum der Wirklichke­it. Es gibt dort keine Ironie, höchstens Koketterie. Man mag ihr dorthin folgen oder nicht. Hier folgen alle.

Beim Verlassen der Halle kann man ein Hochglanz-Magazin zur Tournee kaufen. Es heißt „Paradies“. Es kostet fünf Euro.

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FOTO: WAZ FOTOPOOL/HARTMANN Die Schlagersä­ngerin Helene Fischer am Dienstag in Oberhausen in der Arena im Rahmen ihrer „Farbenspie­l“-Tournee.

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