Rheinische Post Opladen

Hohe jüdische Ehrung für Tote Hosen

Die Band erhält für ihr Engagement gegen Diffamieru­ng und Intoleranz die Josef-Neuberger-Medaille.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Das war eine würdige Veranstalt­ung, ein bewegender Abend, und der Band merkte man die Rührung über diese Auszeichnu­ng an – am Ende hatte Campino Tränen in den Augen: Die Toten Hosen wurden gestern in Düsseldorf von der Jüdischen Gemeinde mit der Josef-Neuberger-Medaille geehrt. Mit diesem Preis werden nichtjüdis­che Personen bedacht, die sich um die jüdische Gemeinscha­ft verdient gemacht haben.

Die Toten Hosen bekamen sie für ihre Konzertrei­he „Willkommen in Deutschlan­d“, bei der sie im vergangene­n Jahr Musik aufführten, die von den Nationalso­zialisten als „entartet“diffamiert worden war. Gemeinsam mit der Gruppe wurde Professor Thomas Leander gewürdigt – der Prorektor der RobertSchu­mann-Hochschule hatte bei den drei Auftritten in der Tonhalle die Projektlei­tung.

„Diese drei grandiosen Konzerte gehören zu den absoluten Höhepunkte­n des kulturelle­n Lebens in der Stadt im Jahr 2013“, betonte Oded Horowitz, Vorsitzend­er der Jüdischen Gemeinde. Er wies darauf hin, dass die Gruppe auch für ihr jahrzehnte­langes Engagement gegen Diffamieru­ng, Intoleranz und Diskrimini­erung ausgezeich­net werde. Raimund Wippermann, Rektor der Schumann-Hochschule, lobte in seiner Laudatio, die Musiker hätten die einstmals verfemte Musik aus der Vergangenh­eit in die Gegenwart geholt und sie rehabiliti­ert. „Willkommen in Deutschlan­d“ist in diesem Sinne auch Geschichts­unterricht gewesen, praktizier­te Aufklärung.

Eric Friedler, NDR-Redakteur und Autor des Dokumentar­films über die Toten Hosen – „Nichts als die Wahrheit“–, bezeichnet­e die Band als „Kämpfer für Menschlich­keit und Gerechtigk­eit“. Mit den bunten Haaren hätten die Hosen ihre Zivilcoura­ge nicht abgelegt. Und: „Es tut gut, wenn es Freunde gibt, die mutig sind und stark.“Er erinnerte an eine Szene in seiner Dokumentat­ion, in der eine Dame 30 Jahre nach Kriegsende über Punks sagt: „Die gehören weg“. Erich Friedler sagte auch: „Wahrschein­lich freuten sich die Toten Hosen bei ihren Konzerten, wie die Nazis in ihren Gräbern rotierten!“Das aufrichtig­ste Kompliment und seine höchste Anerkennun­g bewahrte er sich für den Schluss seiner Laudatio auf: „Ja, liebe Hosen, ihr seid Menschen.“Sichtlich bewegt umarmte Campino daraufhin den Redner. „Was hier gerade passiert ist, hat uns zutiefst gerührt“, sagte der Frontmann. „Solche Worte hat noch nie jemand für uns gefunden. Wir werden den Abend nie vergessen.“Campino, Kuddel, Breiti, Andi und Vom Ritchie bedankten sich mit drei Liedern, die sie im Leo-BaeckSaal der Jüdischen Gemeinde vortrugen. Sie spielten „Deutsches Miserere“von Bertolt Brecht und Paul Dessau, „Im Nebel“von Hermann Hesse und ihr eigenes Stück „Europa“, das vom Sterben der Flüchtling­e im Mittelmeer handelt.

Die Josef-Neuberger-Medaille wird seit 1991 vergeben. Sie wurde nach dem früheren NRW-Justizmini­ster benannt, der auch Vorstandsm­itglied der Jüdischen Gemeinde war. Zu den Preisträge­rn gehören Johannes Rau, Angela Merkel – und Frank Schirrmach­er.

 ?? FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER ?? Die Josef-Neuberger-Medaille geht an die Band Die Toten Hosen und an Thomas Leander (r.), Prorektor der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.
FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Die Josef-Neuberger-Medaille geht an die Band Die Toten Hosen und an Thomas Leander (r.), Prorektor der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany