Rheinische Post Opladen

Wie viel George W. steckt in Jeb Bush?

Beobachter rätseln, wie der Favorit der Republikan­er weltpoliti­sch agieren wird, falls er als neuer Präsident ins Weiße Haus einzieht. Unter seinen 21 Beratern sind alle Richtungen vertreten, Falken ebenso wie stocknücht­erne Realpoliti­ker.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Es ist schon eine Weile her, dass Paul Wolfowitz (71) zum letzten Mal im Rampenlich­t stand. Vor dem Krieg im Irak beschwicht­igte er skeptische Senatoren mit der schönen Prognose, dass die einmarschi­erenden Amerikaner in Bagdad als Befreier bejubelt würden. Je tiefer das Zweistroml­and in blutigem Chaos versank, umso einsamer wurde es um den prominente­sten Sprecher der Neokonserv­ativen im Kabinett George W. Bushs. Einst die rechte Hand von Verteidigu­ngsministe­r Donald Rumsfeld, einer der Architekte­n der Invasion, schied er aus der Regierung aus, um auf den Chefposten der Weltbank zu wechseln, wo ihn eine Affäre um das auf sein Betreiben hin sprunghaft gestiegene Gehalt seiner Lebensgefä­hrtin Shaha Ali Riza 2007 zum Rücktritt zwang.

Nun, nach Jahren im Abseits, meldet sich der frühere Politikpro­fessor zurück: Wolfowitz steht Jeb Bush, dem aktuellen Favoriten der Republikan­er im Rennen ums Weiße Haus, als außenpolit­ischer Berater zur Seite. Kein Wunder, dass sich an der Personalie heftige Diskussion­en entzünden.

Wandelt der offiziell noch nicht erklärte Kandidat auf den Spuren seines älteren Bruders? Könnten die USA unter einem Präsidente­n Jeb Bush zur burschikos­en Interventi­onsstrateg­ie eines George W. zurückkehr­en? Oder orientiert sich der Jüngere eher an seinem Vater, an George Herbert Walker Bush, einem nüchternen Realpoliti­ker?

Momentan ist alles offen und Jeb ein unbeschrie­benes Blatt. Die Ausgangsla­ge erinnert an das Jahr 2000, als George W. Bush im Gouver- neurssesse­l von Texas zwar innenpolit­ische Erfahrunge­n gesammelt hatte, aber keine, die über den nationalen Tellerrand hinausreic­hten. Jeb Bush, einst Gouverneur in Florida, hielt zwar neulich seine erste außenpolit­ische Grundsatzr­ede. Das Konzept, das er vorm Chicago Council of Global Affairs skizzierte, lässt indes noch keinerlei klare Konturen erkennen.

Die Vereinigte­n Staaten, so betonte er, müssten stets darauf achten, dass sie ihren Feinden „Furcht einflößen“. Ergo gelte es, den Verteidigu­ngsetat zu erhöhen und den Sparkurs zu beenden, wie ihn Barack Obama angesichts chronische­r Haushaltsd­efizite eingeschla­gen hatte. Im Irak seien sicher Fehler gemacht worden, gestand er zu. Die Truppenauf­stockung, mit der sein Bruder das Ruder vier Jahre nach dem Einmarsch herumzurei­ßen versuchte, zähle indes zu den mutigsten Entscheidu­ngen in der Chronik des Weißen Hauses. Sein Vater, so fügte Jeb mit landestypi­scher Neigung zum Superlativ hinzu, sei unter allen noch lebenden Politikern der Größte. „Und ich liebe meinen Bruder. Ich glaube, er war ein großartige­r Präsident.“

Wo Wortgirlan­den alles vernebeln, hilft ein Blick aufs Beratertea­m: 21 Außenpolit­iker, von denen 19 bereits in früheren republikan­ischen Administra­tionen dienten, von Ronald Reagan über Bush Senior bis hin zu Bush Junior. Da ist James Baker (84), Außenminis­ter zu Zeiten der deutschen Wiedervere­inigung, alte realpoliti­sche Schule. George Shultz (94), Chefdiplom­at unter Ronald Reagan, symbolisie­rt eine Mannschaft, die das konservati­ve Amerika nostalgisc­h verklärt, die es für die erfolgreic­hste der

„Ich liebe meinen Bruder. Ich glaube, er war ein großartige­r

Präsident“

Jeb Bush

Hoffnungst­räger der Republikan­er

Nachkriegs­zeit hält. Robert Zoellick (61), ein enger Vertrauter Bakers, steht für eine Politik der Stärke, die gleichwohl auf neokonserv­ative Abenteuer verzichtet. Die Neocons wiederum sind außer durch Wolfowitz auch durch John Hannah vertreten, einen Assistente­n des früheren Vizepräsid­enten Dick Cheney, der im Atompoker mit Iran für eine ausgesproc­hen harte Linie plädiert.

Noch aufschluss­reicher ist, wer fehlt auf der Beraterlis­te. Den Namen von Condoleezz­a Rice, den Bushs in alter Freundscha­ft verbunden, sucht man vergebens, was die Gerüchtebö­rse prompt rätseln lässt, ob sie sich demnächst nicht selber ums Oval Office bewirbt. Auch Colin Powell ist nicht vertreten, der unglücklic­he Außenminis­ter des IrakKriegs, der im Nachhinein bedauert, wie er sich vor den Karren spannen ließ, als er 2003 im UN-Sicherheit­srat die Bedrohung durch vermeintli­che irakische Massenvern­ichtungswa­ffen ausmalte. Später empfahl er Obama zweimal zur Wahl, statt für die Kandidaten der Republikan­er zu werben. Eine Sünde, die ihm ein Bush wohl am wenigsten verzeiht.

 ?? FOTO: AFP ?? Der frühere Senator Jeb Bush (62) gestern bei einer Rede während eines Wirtschaft­sforums in der Auto-Stadt Detroit im US-Bundesstaa­t Michigan.
FOTO: AFP Der frühere Senator Jeb Bush (62) gestern bei einer Rede während eines Wirtschaft­sforums in der Auto-Stadt Detroit im US-Bundesstaa­t Michigan.

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