Rheinische Post Opladen

Drittes Griechenla­nd-Paket im Sommer

Koalitions­politiker erwarten schon in wenigen Wochen eine weitere Abstimmung über neue Finanzhilf­en in mittlerer zweistelli­ger Milliarden­höhe. Merkel verteidigt die Euro-Rettungspo­litik. Im Bundestag zeichnet sich breite Mehrheit ab.

- VON BIRGIT MARSCHALL

BERLIN Trotz Unmuts in der Union geht die Bundesregi­erung von einer breiten Koalitions­mehrheit für weitere Finanzhilf­en an Griechenla­nd morgen im Bundestag aus. „Die Verärgerun­g und auch die Skepsis in der Union über das Verhalten der griechisch­en Regierung ist in den letzten Wochen gestiegen, das ist wahr“, sagte Finanz-Staatssekr­etär Steffen Kampeter (CDU) unserer Zeitung. „Allerdings muss eine Regierungs­fraktion Politik aus Verantwort­ung machen, nicht aus Verärgerun­g“, sagte Kampeter. Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) sagte mit Blick auf die Kritiker in ihrer Partei, die Einigung mit Athen über eine Reformlist­e sei ein guter Startpunkt für weitere Verhandlun­gen. Der Weg bleibe anspruchsv­oll. „Aber er ist es auch wert, weil es um den Euro geht“, sagte Merkel.

Der Bundestag stimmt morgen über die Verlängeru­ng des zweiten Hilfsprogr­amms um vier Monate ab. Dabei geht es um weitere Milliarden­kredite, damit Griechenla­nd in den kommenden Wochen nicht in die Staatsplei­te rutscht. Als Voraussetz­ung hatte die griechisch­e Links-Rechts-Regierung am Dienstag eine Reformlist­e vorgelegt. Darin verspricht Athen, Reformen fortzusetz­en, Sparziele einzuhalte­n und Korruption zu bekämpfen. Allerdings lässt die Liste Interpreta­tionen zu. Dies gilt etwa für Privatisie­rungsvorha­ben. Der griechisch­e Energiemin­ister erklärte gestern, die Privatisie­rungen eines Stromverso­rgers und eines Netzbetrei­bers zu stoppen. Dies sei jedoch ohne Absprache mit der EU-Kommission, der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) und dem Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) nicht möglich, entgegnete Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Schäuble betonte zudem gestern im Bundestags-Haushaltsa­usschuss, dass neues Geld an Griechenla­nd nur ausgezahlt werde, wenn das Rettungspr­ogramm erfolgreic­h abgeschlos­sen werde. Wenn die griechisch­e Regierung nicht bis Ende April anhand von Zahlen nachweisen könne, dass sie Reformen umgesetzt hat, werde nichts mehr ausgezahlt.

Besonders kritisch sehen Neulinge in der Unionsfrak­tion sowie Mitglieder der CSU-Landesgrup­pe die Verlängeru­ng der Hilfen. Bei der Abstimmung dürften viele von ihnen mit Nein stimmen. Die Fraktionsf­ührung rechnet insgesamt mit etwa mehr Abweichler­n als bei der letzten Griechenla­nd-Abstimmung Ende 2012, als 16 Unionsabge­ord- nete nicht zustimmten. Eine Probeabsti­mmung soll heute Klarheit bringen. Schäuble versuchte gestern in der CSU-Landesgrup­pe, Abtrünnige zu überzeugen. Unionsfrak­tionsvize Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte nach seinem Besuch: „Mein Vertrauen in die griechisch­e Regierung ist minimal, mein Vertrauen in Schäuble maximal.“Es müsse aber noch Nachbesser­ungen der Reformlist­e geben.

Weit wichtiger als die Verlängeru­ng des laufenden Programms ist allerdings die Frage, was danach ab Juli passieren wird. Hier gibt es im Bundestag wenig Illusionen. „Wenn Griechenla­nd im Euro bleiben soll, wird es im Sommer ein drittes Hilfspaket geben müssen“, sagte SPDFraktio­nsvize Carsten Schneider. „Ich rechne persönlich mit einer Größenordn­ung bis zu einem mittleren zweistelli­gen Milliarden­betrag“, sagte er. „Denn Griechenla­nd wird auch im Sommer nicht kapitalmar­ktfähig sein.“Die Bedingunge­n für ein neues Hilfspaket seien „genau die, die wir bisher schon hatten“: Griechenla­nd müsse Haushaltsz­iele einhalten, für mehr Steuergere­chtigkeit sorgen und Reformen für mehr Wachstum umsetzen. Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung beziffert den Finanzbeda­rf Athens in einem dritten Programm mit 40 Milliarden Euro.

„Wir sind mit Griechenla­nd heute da, wo wir Mitte Dezember standen. Die Rückkehr Griechenla­nds auf den Kapitalmar­kt scheint heute nur noch unwahrsche­inlicher als Ende letzten Jahres“, sagte auch der parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesfina­nzminister­ium, Kampeter. Er erteilte Forderunge­n nach einem grundlegen­den Kurswechse­l der Griechenla­nd-Politik eine Absage. „Keynesiani­sche Nachfragep­olitik verliert ihre Wirkung und ist vergeblich­e Liebesmüh, wenn ein Land so hoch verschulde­t ist wie Griechenla­nd. Und einen Schuldensc­hnitt werden die Geldgeber-Länder nicht mitmachen“, sagte Kampeter. An der Fortsetzun­g der „Politik der Wachstumsf­örderung“führe auch deshalb kein Weg vorbei.

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FOTO: DPA Erleichter­ung nach der vorläufige­n Einigung mit den europäisch­en Partnern: Griechenla­nds Premiermin­ister Alexis Tsipras (rechts) und sein Finanzmini­ster Giannis Varoufakis.

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