Rheinische Post Opladen

US-Anwälte kritisiere­n Limbach-Kommission

Das Gremium sprach sich gegen eine Rückgabe aus, obwohl es mehrere Einzelfäll­e gar nicht geprüft hat.

- VON BERTRAM MÜLLER

BERLIN Auch angesehene Gremien arbeiten nicht immer einwandfre­i. Jüngstes Beispiel ist die LimbachKom­mission, benannt nach ihrer Leiterin, der früheren Präsidenti­n des Bundesverf­assungsger­ichts. Jutta Limbachs Kommission wird tätig, wenn es um die Rückgabe NSverfolgu­ngsbedingt entzogener Kulturgüte­r geht. Oft unterwerfe­n sich die auftraggeb­enden Parteien dabei vorab dem Urteilsspr­uch des Gremiums, wie zuletzt im Fall von Adolph von Menzels Gemälde „Pariser Wochentag“. Das darf jetzt seinen Platz im Düsseldorf­er Museum Kunstpalas­t behalten.

Auch in einem ungleich größeren Streitfall – der Frage, wem der „Welfenscha­tz“gehört – hatten beide Parteien die Limbach-Kommission angerufen. Die teilte am 20. März 2014 überrasche­nd mit, dass sie sich der Position der Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz in vollem Umfang anschließe und eine Rückgabe des aus Braunschwe­ig stammenden, heute in Berlin befindlich­en Schatzes mittelalte­rlicher Kunst nicht empfehle. In anderen Zweifelsfä­llen hatte sie sich zuvor für eine Restitutio­n ausgesproc­hen.

„Kein Fall bisher dürfte so komplizier­t, so verworren, so unabgeschl­ossen sein wie dieser“, urteilte schon vor einem Jahr die „Frankfur- ter Allgemeine“. Sie wies darauf hin, dass ein wesentlich­es Dokument fehlte – und nach wie vor fehlt: Als 1929 vier jüdische Kunsthändl­er aus Frankfurt am Main den aus 82 Einzelstüc­ken bestehende­n Goldschatz erwarben, waren an dem Kauf „inund ausländisc­he Geschäftsf­reunde“beteiligt.

Zwar sind Preis und Verkäufer bekannt: 7,5 Millionen Reichsmark, gezahlt an das fürstliche Haus Braunschwe­ig-Lüneburg. Doch wer gehörte zum Konsortium jener jüdischer Kunsthändl­er, das 1935 Teile des Welfenscha­tzes für 4,25 Millionen Reichsmark an die Dresdner Bank veräußerte, die wiederum im Auftrag des Staates Preußen handelte?

Die Limbach-Kommission befand: „Nur die Gesamtheit der Miteigentü­mer ist berechtigt, die Rückgabe der Sammlung geltend zu machen.“Doch solange diese Gesamtheit nicht bekannt ist, hätte das Gre- mium sich nicht für einen Verbleib der Sammlung im Kunstgewer­bemuseum Berlin ausspreche­n dürfen. Bislang haben nur einige Miteigentü­mer Ansprüche geltend gemacht: die Erben der Kunsthändl­er Goldschmid­t (2,5 Prozent), Hackenbroc­h und Rosenberg (je 3,75 Prozent) sowie Rosenbaum. Der Vermittler Alfons Heilbronne­r soll mit 2,5 Prozent der Gesamtsumm­e an dem Konsortium beteiligt gewesen sein. Anspruchsb­erechtigt sind of- fenbar auch die Erben des jüdischen Juweliers Hermann Netter, der mit 25 Prozent am Geschäft mit dem Welfenscha­tz beteiligt war. Als dies bekannt wurde, stand das Urteil der Limbach-Kommission allerdings vermutlich schon fest. Insgesamt weiß man heute also lediglich über die Herkunft von 37,5 Prozent der Gesamtsumm­e Bescheid. Das hat die Kommission nicht davon abgehalten, sich gegen die Ansprüche aller auszusprec­hen, auch der gut 60 Prozent, deren Namen man noch immer nicht kennt. Es gibt lediglich Vermutunge­n – zum Beispiel die, dass auch der Frankfurte­r Bankier Willy Dreyfus dem Konsortium angehörte, ebenso Fritz Mannheimer, Kunstsamml­er und Teilhaber der Bank Mendelsohn & Co.

Die Limbach-Kommission hat zwar ihr dubioses Urteil gesprochen, doch es ist nicht bindend. In Deutschlan­d sind NS-Raubkunstf­älle ohnehin verjährt. Deshalb ha- ben die Erben jüdischer Kunsthändl­er nun am Bundesgeri­cht in Washington Klage gegen die Bundesrepu­blik und die Stiftung Preußische­r Kulturbesi­tz erhoben, in deren Obhut sich die goldenen Reliquien des Braunschwe­iger Schatzes befinden. Entgegen der LimbachKom­mission vertreten die Anwälte der Erben die Auffassung, dass die Kunsthändl­er die Sammlung unter dem Druck der Nationalso­zialisten für ein Drittel ihres eigentlich­en Wertes hätten verkaufen müssen. Damit sei das Geschäft widerrecht­lich und nichtig. Erst kürzlich hatte die PreußenSti­ftung entschiede­n, dass der ehemalige Domschatz von Braunschwe­ig „national wertvolles Kulturgut“sei, dass er also nicht ins Ausland verbracht werden darf. Sicher scheint man sich auf deutscher Seite demnach nicht zu sein, dass 1935 beim Verkauf des Welfenscha­tzes an das Land Preußen alles mit rechten Dingen zuging.

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FOTO: DPA Besucher des Kunstgewer­bemuseums Berlin vor einem Tragaltar des Goldschmie­ds Eilbertus aus dem Welfenscha­tz.

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