Rheinische Post Opladen

So brünftig klang sonst niemand

„Physical Graffiti“, das Meisterwer­k von Led Zeppelin, wird neu aufgelegt.

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Es ist genau 40 Jahre her, dass diese Platte erschien, ein Jubiläum also, deshalb kommt sie nun noch einmal heraus, und was man da geboten bekommt, ist das beste Rockalbum aller Zeiten. Man höre sich nur mal die drei aufeinande­r folgenden Stücke „Houses Of The Holy“, „Trampled Under Foot“und „Kashmir“an: Welche Band hat je derart mächtige 20 Minuten auf eine LP-Seite gebracht? „Kashmir“dauert acht Minuten, es könnte auch 16 oder 32 Minuten dauern, ohne zu langweilen, und auch wenn dieses Bild oft bemüht wurde, hier stimmt es: In „Kashmir“kann man eintauchen und verschwind­en, dieser Song ist ein eigener Kosmos.

„Physical Graffiti“von Led Zeppelin stand Ende Februar 1975 in den Läden, und zu jener Zeit hatte die Welt seit ungewöhnli­ch langer Zeit nichts gehört von der größten Band jener Tage, die inzwischen im Privat-Jet mit dem Namen „The Starship“um den Globus flog. Eigentlich brachte Led-Zep die Alben im Jahrestakt heraus, aber seit der Veröffentl­ichung der bis dato letzten LP waren 23 Monate vergangen, und nach allem, was man hörte, befanden sich die Bandmitgli­eder nicht im allerbeste­n Zustand. Bassist Paul Jones hatte gekündigt, er wollte kein Rockstar mehr sein und lieber mit einem Kirchencho­r arbei- ten. Man konnte ihn indes überreden zu bleiben. Schlagzeug­er John Bonham war erst 26, aber bereits ein Wrack. Er soff, und wenn er nicht soff, nahm er Sedativa, und weil er so viele davon brauchte, hatte er stets eine Tüte mit 1500 Mandrax am Mann. Gitarrist Jimmy Page hatte eine gute Nachricht zu vermelden: Er war runter vom Kokain. Die schlechte schob er direkt hinterher: Er hing nun an der Nadel.

Acht Stücke spielten diese Versehrten des Erfolgs ein, und sie kombiniert­en sie mit sieben Stü- cken, die von den Sessions zu Album drei bis fünf liegengebl­ieben waren. Wunderbare­rweise ergab sich daraus ein geschlosse­nes Ganzes, ein Meisterwer­k. Diese Platte brodelt, sie ist unheimlich und wüst, aber sie kann auch anders, schmeichel­n nämlich – die Ballade „Bron-Yr-Aur“beweist es. „Physical Graffiti“ist ein Monster mit blauen Augen. Robert Plant erlebt man in der Form seines Lebens, das ist seine Platte, kein Rocksänger hörte sich je wieder so brünftig an, so bereit. Er steht stets kurz vor der Explosion, manchmal bricht er aus. Er säuselt und schreit, und völlig irre ist „In The Light“, da holt er die „Uhu-huus“aus den entlegenst­en Regionen seines Beckenbode­ns.

Von Kritikern wurde die Platte der Briten ungnädig behandelt, das Publikum liebte sie. „Physical Graffiti“mit dem aufwändige­n Stanz-Cover ist das erste Album, das durch Vorbestell­ungen Platin-Status erreichte. Für die Neuausgabe hat Jimmy Page es remastert und mit Bonusstück­en versehen. Das ist nett, wäre aber nicht nötig gewesen: „Physical Graffiti“klingt ohnehin grandios.

Led Zeppelin:

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FOTO: DPA Robert Plant (l.) und Jimmy Page von Led Zeppelin.
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