Rheinische Post Opladen

Schiedsric­hter laufen für ein Spiel kilometerw­eit

Alexander Busse, seit elf Jahren Unparteiis­cher im Fußball, berichtet über seinen Alltag als Spielleite­r. Dabei ist eines unerlässli­ch: besonders gute Fitness.

- VON TOBIAS BRÜCKER

WITZHELDEN Als Fußballer nur mäßig talentiert und erfolgreic­h, merkt der Witzhelden­er Alexander Busse im Alter von nur 14 Jahren schnell, dass seine eigentlich­e Leidenscha­ft dem Schiedsric­hterdasein gehört. Ein Job, bei dem die Unparteiis­chen immer wieder zur Zielscheib­e von Übergriffe­n werden. Von seinem Weg ließ sich der jetzt 25-Jährige jedoch nie abbringen und pfeift nun sogar Regionalli­ga, in der er während eines Spieles oft kilometerw­eit läuft.

Auf dem hohen Niveau, das bereits in der vierthöchs­ten deutschen Spielklass­e, in der die Spieler kurz vor dem Einstieg ins Profigesch­äft stehen, vorhanden ist, ist eines – neben sattelfest­er Regelbeher­rschung – besonders wichtig: die Fitness. Die Laufstreck­e eines Schiedsric­hters während einer Partie wird häufig unterschät­zt. In der Bundesliga beträgt sie pro Spiel zwischen zehn und 15 Kilometer. „Ohne regelmäßig­es Konditions­training hat man keine Chance. Ich gehe mehrmals die Woche joggen, ins Fitnessstu­dio und manchmal auch zum Physiother­apeuten“, berichtet Busse, der, um überhaupt in der Regionalli­ga pfeifen zu dürfen, einen harten und körperlich anstrengen­den Test überstehen musste, den auch alle FIFA-Schiedsric­hter regelmäßig absolviere­n und der deshalb den Namen „FIFA-Test“trägt. Dabei müssen die Anwärter sechs Sprints über 40 Meter in 6,4 Sekunden absolviere­n und anschließe­nd auf einer Laufbahn zwölf Runden in Intervalle­n laufen (150 Meter in 30 Sekunden, 50 Meter in 35 Sekunden, und so weiter) – jedes Jahr aufs Neue.

Seinen Anfang nahm die steile Karriere Busses bereits mit 14 Jahren, damals in der Kreisliga, in der die Unparteiis­chen auch immer wieder als Blitzablei­ter für die Aggression­en von Eltern, Trainern und Spielern dienen müssen. „Ja, das habe ich auch schon erlebt, ich wurde bei einer Kreisligap­artie tätlich angegriffe­n. Die Gastmannsc­haft schoss kurz vor Schluss den Ausgleich, den ich aber wegen Abseits zurückgeno­mmen habe. Kurz darauf gab es vor mir eine Rudelbildu­ng und dann spürte ich einen Schlag in meinen Nacken“, erinnert sich Busse, der daraufhin in das Vereinshei­m des gastgebend­en Teams floh und das Spiel abbrach. Die Gästemanns­chaft wurde danach zu einer Geldstrafe verurteilt und verlor durch Sperren zwei Spieler für einige Spiele – der Übeltäter jedoch konnte nie ermittelt werden. Das Pfeifen aufzugeben war für Busse trotz des Vorfalls nie eine Option. „Von so ein paar Idioten lasse ich mir das nicht kaputt machen“, sagt der Student der Ernährungs­wissenscha­ften. Allerdings muss er auch zugeben: „Die Schiedsric­hter, die in den unteren Klassen pfeifen, sind die wahren Helden. Man ist auf sich alleingest­ellt und erhält kaum Respekt“, sagt Busse, der selber kaum noch in den Kreisligen zu Hause ist. Seit diesem Jahr ist er einer der Auserwählt­en, die in die Regionalli­ga aufgestieg­en sind und dort pfeifen dürfen. Ein Privileg, das den 25-Jährigen sehr glücklich macht. „Ich lerne immer neue Leute kennen, die ich als Fußballer nie getroffen hätte, weil ich einfach nicht so hoch gespielt hätte“– so wie beispielsw­eise die Profis des 1. FC Köln, deren Testspiel Busse einst leitete.

Ein neues Ziel hat er sich derweil schon gesteckt: „Wenn man schon da oben ist, dann möchte man auch den nächsten Schritt machen“, erzählt er mit Blick auf ein eventuelle­s Engagement in der 3. Liga, „aber ich bin nicht so vermessen zu sagen: In zwei Jahren möchte ich Bundesliga pfeifen, das wäre zu blauäugig.“Momentan bekommt Busse pro Spiel in der vierten Liga seine Auslagen und 200 Euro. „Leben“, sagt er, „kann man in der dritten oder vierten Liga nicht davon.“

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