Wirtschaftsclub: Stern-Journalist kritisiert mediales Rudel-Verhalten
Er zählt zu den führenden Meinungsmachern Deutschlands und scheut nicht davor zurück, die eigene Branche zu kritisieren: Hans-Ulrich Jörges, Mitglied der Chefraktion beim Stern, Kolumnist und regelmäßig Gast bei politischen Talkshows. Klartext sprach Jörges auch bei einem Dinner Talk im Wirtschaftsclub Düsseldorf.
„Wenn die Wölfe heulen – die neue Welt der Medien“, gab er seinem Referat als Titel und nahm dabei insbesondere die überregionalen Medien und Fernsehsender ins Visier. Statt Unbefangenheit, Wehrhaftigkeit, Erfüllen der Recherchepflichten herrschten immer öfter Schönfärberei und Opportunismus. Als Beispiel nannte Jörges das gestellte Foto der Regierungschefs nach den Terroranschlägen in Paris, bei dem die Medien nicht aufklär- ten, dass es fernab der Trauerkundgebung und nicht, wie suggeriert, mittendrin entstand. Er kritisierte die Einseitigkeit bei der Ukraine-Berichterstattung, eine „mediale Mobilmachung gegen Russland“. In solch einem Konflikt gebe es aber zwei Seiten, „die müssen wir zeigen“.
Das Nichtthematisieren der Rolle der Türkei beim Islamischen Staat, die einmütige Vorverurteilung in der Affäre um den Bundespräsidenten Wulff, der Tenor gegen den SPDKanzlerkandidaten Steinbrück, GDL-Chef Weselsky, Tebartz van Elst – Jörges führt viele Fälle an, in denen Journalisten sich seiner Ansicht nach zu leichtfertig kollektiv auf eine Seite geschlagen haben.
„Rudel-Journalismus“nennt er das. Die Ursachen dafür seien die Auflösung der ideologischen Lager nach Ende des Kalten Krieges, die Medienkrise und die neue Hierarchie in den Medien, bei der Online an erster Stelle stehe und Klickzahlen die Währung seien. „Friede ist langweilig, das klickt man nicht!“Im Anschluss wurde mit den Gästen lebhaft diskutiert. Einig war man sich vor allem in einem: In den Schulen muss der Umgang mit den neuen Medien unterrichtet werden.