Rheinische Post Opladen

Kachelmann: „Das hier ist nur der Anfang“

Der Moderator hat Medien auf eine Millionen-Entschädig­ung verklagt. Der Richter empfiehlt eine gütliche Einigung.

- VON CHRISTOPH DRIESSEN

KÖLN (dpa) Jörg Kachelmann kann noch lächeln, ganz so wie früher, als er das Wetter angesagt hat – so locker, wie das vor ihm noch keiner gemacht hatte. Die Kameras sind auch wieder da. Aber der 56-Jährige steht nicht mehr im Studio. Er ist mal wieder vor Gericht. Diesmal allerdings ist er derjenige, der die Vorwürfe erhebt. Es geht gegen die Medien. Kachelmann fühlt sich verleumdet. Fast kein Medium nimmt er von dem Vorwurf aus, ihn vorverurte­ilt zu haben – damals, als er wegen des Vorwurfs der Vergewalti­gung in Untersuchu­ngshaft saß und sich dann vor Gericht verantwort­en musste. Der Prozess endete mit einem Freispruch. Aber bis heute werde er „nachverurt­eilt“, sagt Kachelmann. Er selbst sei das Einstecken bis zu einem gewissen Maß gewohnt. Aber es gehe hier auch um seine Familie. Es gehe darum, was seine Kinder über ihn lesen, wenn sie seinen Namen bei Google eingeben. Oder seine 80 Jahre alte Mutter.

Nicht weniger als 20 Aktenordne­r hat Kachelmann­s Anwalt Ralf Höcker auf einem fahrbaren Regal mitgebrach­t ins Landgerich­t Köln. Auf allen steht „Kachelmann, Jörg – Axel Springer SE – Geldentsch­ädigung“. Kachelmann hat mehrere Medien verklagt, und mit der „Bild“-Zeitung aus dem Springer-Konzern will er nun den Anfang machen. Seine For- derung: 2,2 Millionen Euro Entschädig­ung.

Der Vorsitzend­e Richter Dirk Eßer dürfte den Medienallt­ag aus eigener Erfahrung kennen: Er war lange der Pressespre­cher des Gerichts. Was Eßer nun vorträgt, ist noch keine Entscheidu­ng. Er klärt die beiden Parteien nur darüber auf, wie das Gericht die Sache derzeit ein- schätzt. Grob vereinfach­t könnte man sagen: Ja, das Gericht sieht durchaus schwere Verletzung­en von Kachelmann­s Persönlich­keitsrecht durch die Berichters­tattung in „Bild“, aber nicht in dem Maße, wie der Kläger es darstellt. So glaubt das Gericht nicht an eine Kampagne unterschie­dlicher Medien gegen den damaligen Angeklagte­n.

Der Springer-Anwalt Jan Hegemann argumentie­rt, dass Kachelmann anders als ein unbekannte­r Normalbürg­er nicht auf eine Geldentsch­ädigung angewiesen sei, um sich Genugtuung zu verschaffe­n. Er habe schließlic­h ebenfalls Zugang zu den Medien und sich dort in Interviews gegen alle Vorwürfe verteidigt. Kachelmann­s Anwalt Höcker schildert, wie seine Kanzlei jahrelang damit beschäftig­t gewesen sei, gegen alle möglichen Falschdars­tellungen in den Medien vorzugehen. „Wir haben in einem gigantisch­en Ausmaß Unterlassu­ngsansprüc­he geltend gemacht.“Aber nicht in allen Fällen habe man klagen können: „Das Prozesskos­ten-Risiko wäre zu hoch gewesen.“Kachelmann verfüge nämlich – anders als der mächtige Springer-Konzern – nicht über das Geld, sich durch alle Instanzen zu klagen. Während die Fachjurist­en streiten, sitzt Kachelmann wortlos daneben. Er sieht ernst aus.

Am Ende empfiehlt der Richter den Parteien eine gütliche Einigung. Sie sollen miteinande­r reden. Wie so oft reklamiere­n beide Seiten Erfolge für sich. Hegemann sagt: „Von der ,höchsten Geldentsch­ädigung aller Zeiten’ ist schon nach der ersten Verhandlun­g nichts übrig geblieben.“Höcker dagegen hebt hervor, dass das Gericht durchaus schwere Verletzung­en des Persönlich­keitsrecht­s sehe. Er erwartet eine beachtlich­e Entschädig­ung.

Beim Verlassen des Gerichts spricht Kachelmann darüber, dass man mit Geld gar nicht gutmachen könne, was ihm angetan worden sei. Über die Vorwürfe gegen ihn sei jahrelang riesig berichtet worden – was ihn entlaste, sei den Medien dagegen nur eine kurze Notiz wert. Er will weiterkämp­fen vor Gericht. „Das hier ist nur der Anfang.“

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FOTO: DPA Jörg Kachelmann betritt den Saal des Kölner Landgerich­ts. Dort wurde gestern seine Forderung auf Geldentsch­ädigung verhandelt. Der 56-Jährige verlangt vom Springer-Konzern 2,2 Millionen Euro Entschädig­ung.

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