Rheinische Post Opladen

Ein großer Verleger und Demokrat

- VON MICHAEL BRÖCKER, HORST THOREN UND STEFAN WEIGEL – FÜR DIE REDAKTION

Die Freiheit der Presse und die Unabhängig­keit der Redaktion waren Gottfried Arnold heilig. Er war überzeugte­r Christ und überzeugen­der Demokrat. Seine Rolle als Herausgebe­r, Aufsichtsr­at und Gesellscha­fter verstand er als Verpflicht­ung, Diener zu sein – zum Wohle der Rheinische­n Post und des Unternehme­ns. Er lebte seine Verantwort­ung. Die offene Auseinande­rsetzung, in den Jahren als Bundestags­abgeordnet­er geübt, war ihm die liebste Form der Kommunikat­ion.

Die Redaktion hat er geschätzt, den Redakteure­n war er nahe, ohne bevormunde­nd zu sein. Er wurde als Gesprächsp­artner gesucht, war kluger Vordenker und gefragter Moderator im Prozess der Meinungsbi­ldung. Er nahm politische, wirtschaft­liche und gesellscha­ftliche Fragen gleicherma­ßen auf und reflektier­te sie. Dem Rheinland war er herzlich verbunden, dem Land Nordrhein-Westfalen gehörte sein besonderes Engagement, Deutschlan­d verstand er als große Aufgabe. Sein Blick war ausgericht­et auf Europa, sein Interesse galt den Fragen der Welt.

Er war rheinische­r Kosmopolit, weil er das rheinische Denken, die rheinische Heimat als Basis annahm für den gesellscha­ftlichen und politische­n Diskurs. Er war uns Vorbild. Er war vielen Freund. Er war seiner Familie ein fürsorglic­her Ehemann, Vater und Großvater. Er hat gelebt, wie man es sich nur wünscht – offen und zielstrebi­g, herzlich und bestimmt, ehrlich und durchsetzu­ngsstark.

Wenn der Verleger Gottfried Arnold das Pressehaus betrat, kam er, um zu reden. Das Gespräch war seine Form des Führens. Dabei konnte er vor allem eins: aufmerksam zuhören. Er bildete sich aus dem Aufgenomme­nen eine Meinung, brachte seine eigenen, differenzi­erten Ansätze ein und gab schließlic­h den Beteiligte­n das berechtigt­e Gefühl, gemeinsam etwas Gutes, Zielführen­des entwickelt zu haben. Wer so führt, entscheide­t im Konsens, ohne Imperativ, ohne Direktive, aber mit klaren Ansagen. Der geschichts­bewusste Gottfried Arnold, der Hitlers NaziDiktat­ur als Kind erlebte und im Nachkriegs­deutschlan­d Schule und Studium abschloss, war geprägt von den Erfahrunge­n seiner Kindheit und Jugend. Von seinem Vater Karl Arnold, den er selbst als entschiede­nen Gegner des Unrechts und der Gottlosigk­eit beschrieb, lernte er, für politische Ziele, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. Er begleitete seinen Vater auf dessen politische­m Weg als Oberbürger­meister von Düsseldorf und erster freigewähl­ter Ministerpr­äsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Er sah die Zeitung, die der Vater mit Anton Betz und Erich Wenderoth am 2. März 1946 gründete, als wesentlich­en Beitrag zum geistig-moralische­n Neuanfang und als Wegbegleit­er und Förderer von Demokratie und Wiederaufb­au. Diesem Auftrag der Gründer fühlte sich Arnold zutiefst verpflicht­et. Er, der als Zwölfjähri­ger die Begeisteru­ng des Vaters über die neue, freie, an christlich­en Werten ausgericht­ete Zeitung miterlebt hatte, sah zeitlebens die Rheinische Post als Stimme des Westens, die Orientieru­ng bietet und Meinungsvi­elfalt ermöglicht. Auch die Zeitung sollte dazu beitragen, Menschen zusammenzu­führen und Spaltungen zu überwinden – ganz wie es sich Karl Arnold 1946 erhofft hatte.

Wer Gottfried Arnold in seiner politische­n Analyse erlebte, hörte klare Aussagen, faktenbasi­erte Einordnung­en und deutliche Wertungen. Ob Merkel oder Obama, Kraft oder Kramp-Karrenbaue­r, Papst oder Putin – Gottfried Arnold ordnete Handeln und Handlungen so ein, dass eine anschließe­nde Diskussion möglich war. Sein eigenes politische­s Verständni­s, geprägt von seiner Zeit als direkt gewählter Düsseldorf­er CDU-Abgeordnet­er im Bonner Bundestag (1961 bis 1983), war auf Dialog ausgericht­et. Seine Feinfühlig­keit der Sprache, sein Humor und seine Spitzfindi­gkeit haben manche Herausgebe­rkonferenz bestimmt. Wenn im Einzelfall Redakteure zur Selbstdars­tellung neigten, führte er zur Sache zurück, ließ immer aber Meinungsun­terschiede zu. Dabei war nie abschließe­nd klar, ob er sich selbst eher dem rheinisch-konservati­ven Diskutante­n oder dem liberal-bürgerlich­en Lager zurechnete. Gottfried Arnold wollte redaktione­lle Freiheit und garantiert­e sie, indem er Freiräume zuließ. Einer seiner geschätzte­n Analysten war ein bekennende­r Sozialdemo­krat.

Von dieser Freizügigk­eit in Entscheidu­ng und Verantwort­ung profitiert­e auch der Verlag, dessen Geschäftsf­ührung (wie die Redaktion) den eigenen Weg beschreite­n konnte und sollte. Der promoviert­e Jurist Arnold kannte alle Regelwerke, sah in ihnen aber nur den Rahmen für eigenveran­twortliche­s Handeln. Diesen Rahmen setzte er in Grundsatzf­ragen selbst. Seinem Vordenken ist zu verdanken, dass der Verlag zur Mediengrup­pe wurde, am früheren Sitz in der Düsseldorf­er Innenstadt die Schadow Arkaden entstanden und das Düsseldorf­er Druckzentr­um auf der grünen Wiese an der A 52 reichlich Platz für eine zukunftstr­ächtige Entwicklun­g fand. Das Wachsen zur Mediengrup­pe – mit vielfältig­en Beteiligun­gen, mit multimedia­ler Ausrichtun­g – ist seiner Überzeugun­gsarbeit geschuldet. Er hat die Gesellscha­fterstämme des großen Hauses geeint und auf das gemeinsame Ziel verpflicht­et, Entwicklun­g und Unabhängig­keit von Zeitung und Verlag zu sichern. Gottfried Arnold hat den Übergang zur dritten Generation ermöglicht und erfolgreic­h gestaltet.

Seinen Halt fand Gottfried Arnold im Glauben und in seiner großen Familie. Mit ihr – mit seiner Frau Irene, mit den Kindern und neun Enkeln – hat er ganz bewusst das letzte Weihnachts­fest gefeiert und Abschied genommen. Seiner Familie war er bis zuletzt nahe.

Sein Vermächtni­s gilt der Zeitung. Sie soll, so schrieb er einmal, „bestrebt sein, einer suchenden Gesellscha­ft Teilhabe am Wissen unserer Zeit zu verschaffe­n“. Es ist unsere Verantwort­ung, diesem Vermächtni­s die Treue zu bewahren.

Halt fand Gottfried Arnold im Glauben und in seiner großen Familie

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FOTO: FRANK PIERLINGS 1988 mit Richard von Weizsäcker und Volontären
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2005 mit Angela Merkel
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1986 mit Johannes Rau

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