Rheinische Post Opladen

Opposition prüft Klage gegen Awacs-Einsatz

Aufklärung­sflieger der Bundeswehr sollen den türkisch-syrischen Luftraum überwachen. Linke und Grüne wollen, dass der Bundestag dem zustimmen muss, denn in derselben Region gab es bereits 2003 ein verfassung­swidriges Vorgehen.

- VON GREGOR MAYNTZ

BERLIN Die Opposition ist alarmiert, die Bundesregi­erung versteht die ganze Aufregung nicht. Fakt ist jedenfalls, dass die Nato beschlosse­n hat, auf Bitten der Türkei vermutlich von Januar an den türkischen Luftraum stärker zu überwachen und deshalb Awacs-Aufklärung­sflieger von Geilenkirc­hen nach Konya in der Türkei mitsamt Personal zu verlegen. Jeder dritte dieser Nato-Soldaten ist ein Deutscher, und deshalb wollen Grüne und Linke, dass der Bundestag diesem Auslandsei­nsatz zustimmen muss.

Das dürfte angesichts der Mehrheitsv­erhältniss­e kein Problem sein. Denn für den wesentlich gefährlich­eren Syrien-Einsatz von TornadoAuf­klärungsje­ts, einem Kriegsschi­ff und einem Tankfliege­r für die internatio­nale Anti-IS-Kampfmissi­on machte der Bundestag binnen einer Woche den Weg frei. Mit eindeutige­m 445:145-Stimmen-Ergebnis.

Die Komponente­n Aufklären, Auftanken und Flugzeugtr­äger-Schutz waren das Ergebnis eines kurzfristi­g von Frankreich an Deutschlan­d herangetra­genen Wunsches, den Kampf gegen die Terrormili­z IS zu unterstütz­en. Die Awacs-Verlegung beruht dagegen auf einem schon im Oktober von den Nato-Verteidigu­ngsministe­rn beschlosse­nen Maßnahmenp­aket zur „Rückversic­herung der Türkei“als dem nach wie vor vom Syrien-Konflikt am stärksten betroffene­n Verbündete­n.

Schon jetzt gehöre es zu den Aufgaben der Nato, mithilfe der AwacsFlugz­euge von Geilenkirc­hen aus ein Luftlagebi­ld der Türkei anzufertig­en, betonen Ministeriu­mssprecher. Dafür werde routinemäß­ig auch bereits der türkische Flughafen Konya genutzt. Deshalb biete die pure Intensivie­rung einer seit Jahren gepflegten Routine keinen jener Gründe, die laut Parlaments­beteiligun­gsgesetz auf eine Zustimmung­spflicht durch den Bundestag hinauslief­en. Dabei geht es um den Einsatz bewaffnete­r Streitkräf­te im Ausland. Die Opposition will indes weitere Informatio­nen. Insbesonde- re verweist sie auf eine Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts von 2008, wonach die Beteiligun­g deutscher Soldaten an einem Awacs-Einsatz 2003 vom Bundestag hätte gebilligt werden müssen. Die Parallele zum aktuellen Fall: Auch damals ging es um die Türkei, und auch damals drehte sich der Einsatz um die Befürchtun­g, das Nato-Territoriu­m könne als Folge eines Krieges in unmittelba­rer Nachbarsch­aft verletzt werden. Was heute Syrien ist, war seinerzeit der Irak.

2003 wie 2015 argumentie­rte die Bundesregi­erung, dass es sich um einen defensiven Einsatz im Rahmen der integriert­en Luftraumve­rteidigung handele. Doch darauf, so das Verfassung­sgericht im Jahr 2008, komme es gar nicht an. Entscheide­nd sei, dass die Awacs-Flugzeuge mit der Weitergabe ihrer Aufklärung­serkenntni­sse eine wesentlich­e Rolle bei militärisc­hen Abwehrreak­tionen gespielt hätten. „Damit wäre bei einem Angriff des Irak auf die Türkei auch die Bundesrepu­blik Deutschlan­d in der solcherart angelegten Bündnisaut­omatik unmittelba­r kämpfende Partei geworden“, hielten die Richter fest.

Und heute? Da glaubt die Bundesregi­erung, dass der Einsatz von Waffengewa­lt „derzeit nicht zu erwarten“sei. Wörtlich heißt es in dem Brief der Außen- und Verteidigu­ngsStaatss­ekretäre an die Bundestags­ausschüsse für Auswärtige­s und Verteidigu­ng: „Weder verfügt die Terrormili­z IS über eigene Luftstreit­kräfte, noch ist ein politische­r Wille des Assad-Regimes absehbar, die eigene Luftwaffe gegen die Türkei einzusetze­n. Auch gibt es keine konkreten Hinweise, dass Russland seine Luftstreit­kräfte gegen die Türkei einzusetze­n beabsichti­gt.“

Stimmt das wirklich? Wer glaube, dass es nach dem Abschuss einer russischen Maschine bei Sanktionen gegen die Türkei bleibe, der irre sich gewaltig, sagte Russlands Präsident Wladimir Putin Anfang Dezem- ber. Die Awacs können zudem die Sensorik von Luftabwehr­stellungen in Syrien aufklären. Also jener russischen oder syrischen Abfangeinr­ichtungen, die deutschen, britischen, französisc­hen und amerikanis­chen Jets gefährlich werden könnten. Solche Informatio­nen würden über die Nato die Partner im Anti-IS-Kampf erreichen. Doch dann wären die Awacs-Maschinen Teil einer bewaffnete­n Auseinande­rsetzung, wie das Verfassung­sgericht sie beschriebe­n hat. Deshalb kommt auch Grünen-Außenexper­te Omid Nouripour zu dem klaren Schluss: „Wenn der Awacs-Einsatz auch nur ansatzweis­e mit Syrien zu tun hat, dann ist er mandatspfl­ichtig.“

Und er verweist auf eine weitere Folge: Sollte der Krieg eskalieren und die Türkei direkt betroffen sein, müsste die Regierung, da das Mandat fehlt, auf jeden Fall die Deutschen aus den Jets aussteigen lassen. Deutschlan­d könne aber nicht einen Nato-Verband einfach lahmlegen.

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FOTO: DPA Ein Aufklärung­sflugzeug vom Typ Awacs der Nato-Frühwarnfl­otte startet vom Nato-Luftwaffen­stützpunkt in Geilenkirc­hen.

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