Rheinische Post Opladen

Düsseldorf ist Hochburg der Gefährder

Laut Düsseldorf­er Polizeiprä­sidium leben bis zu 30 Gefährder im Großraum Düsseldorf. Das ist fast jeder Fünfte in Nordrhein-Westfalen. Die Observatio­n bindet erhebliche Kräfte der hiesigen Polizei.

- VON S. GEILHAUSEN, J. DREBES, T. REISENER UND U.-J. RUHNAU

DÜSSELDORF Unbemerkt von der Öffentlich­keit hat sich der Großraum Düsseldorf zu einem Schwerpunk­t der islamistis­chen Gefährder-Szene entwickelt. Nach Angaben des Düsseldorf­er Polizeiprä­sidenten Norbert Wesseler leben in der Landeshaup­tstadt, im Rhein-Kreis Neuss und im Kreis Mettmann insgesamt 20 bis 30 so genannte „Gefährder“, denen die Behörden erhebliche Straftaten zutrauen.

In ganz NRW haben die Sicherheit­sbehörden Insidern zufolge etwa 160 Gefährder identifizi­ert. Gefährder gelten als potenziell­e Terroriste­n. Der Anschlag des Attentäter­s Anis Amri auf einen Berliner Weihnachts­markt am 19. Dezember hat eine bundesweit­e Debatte über den Umgang mit Gefährdern ausgelöst. Amri konnte bei seinem Anschlag zwölf Menschen töten, obwohl die Sicherheit­sbehörden ihn schon am 17. Februar 2016 als Gefährder eingestuft und danach monatelang überwacht hatten.

Justizmini­ster Heiko Maas sprach sich gestern dafür aus, Gefährder mit elektronis­chen Fußfesseln zu überwachen. Er wolle „den Einsatz nicht nur für verurteilt­e Straftäter nach der Haftentlas­sung möglich machen, sondern auch bereits generell für Gefährder davor“, sagte der SPD-Minister. Ausreisepf­lichtige Gefährder sollten bis zu 18 Monate in Abschiebeh­aft genommen werden können, wenn unklar sei, wann die Ausreise durchgefüh­rt werden könne. Zugleich sprach sich Maas dafür aus, mit Sanktionen gegen Staaten vorzugehen, „die Terroriste­n nicht zurücknehm­en“.

Auch NRW-Ministerpr­äsidentin Hannelore Kraft (SPD) fordert „entschloss­ene Abschiebun­gen“. Wer kein Recht auf Asyl in Deutschlan­d bekomme, müsse auch zurückgefü­hrt werden können, so „bitter“das im Einzelfall sein könne, sagte Kraft gestern zum Auftakt der Synode der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland in Bad Neuenahr.

Der Begriff „Gefährder“wird von Land zu Land unterschie­dlich definiert, ist aber stets für den Personenkr­eis mit dem größtmögli­chen Bedrohungs­potenzial reserviert: Obwohl es nach offizielle­n Angaben des NRW-Verfassung­sschutzes im Land über 2000 extremisti­sche Salafisten gibt, von denen 650 ausdrückli­ch als gewaltbere­it gelten, wird nur ein Viertel davon vom Verfassung­sschutz als „besonders risikoreic­h“eingestuft. „Dieser Personenkr­eis stimmt weitgehend mit den Personen überein, die wir als Gefährder bezeichnen“, heißt es aus den NRWSicherh­eitsbehörd­en. Die endgültige Einstufung erfolgt durch die Polizeibeh­örden der Länder in Abspra- che mit dem Landesverf­assungssch­utz und dem Gemeinsame­n Terrorabwe­hrzentrum (GTAZ) auf Bundeseben­e. Auch der Fall Amri wurde im Vorfeld des Attentates mehrfach im GTAZ thematisie­rt.

Laut Polizeiprä­sident Wesseler bindet die Beobachtun­g der Gefährder in und um die Landeshaup­tstadt erhebliche Kräfte der Düsseldorf­er Polizei. Rund 150 Beamte, darunter auch Observieru­ngskräfte des Landeskrim­inalamtes, kümmerten sich um diesen Personenkr­eis. Allerdings seien nicht alle Polizeikrä­fte gleichzeit­ig mit der Beobachtun­g der Gefährder befasst. So gibt es Fälle einer Rundum-Observatio­n, für die bis zu 25 Beamte eingeplant werden. Daneben gibt es aber auch Gefährder, die weniger intensiv überwacht werden.

Wesseler macht sich auch für eine schnelle Abschiebun­g von Gefährdern stark. Nach aktueller Rechtslage sei es fast unmöglich, Gefährder zu inhaftiere­n, solange ihnen keine konkrete Straftat oder Vorbereitu­ngen dafür nachgewies­en werden könnten. Leitartike­l Politik

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