Rheinische Post Opladen

Land lagert 30 Millionen Jodtablett­en für Atom-Unfall ein

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DÜSSELDORF/BERLIN (hüw) Das Bundesumwe­ltminister­ium rechnet nicht damit, dass sich Belgien umstimmen lässt und seine umstritten­en Atomreakto­ren Tihange 2 und Doel 3 zumindest vorübergeh­end vom Netz nimmt. Es gebe „leider“keine Anhaltspun­kte dafür, dass die zuständige belgische Atom-Aufsichtsb­ehörde FANC einer entspreche­nden Bitte von Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks (SPD) nachkomme, sagte das Ministeriu­m.

Tihange liegt nur 65 Kilometer von Aachen entfernt. Der Landtag hatte Ende letzten Jahres die Schließung der maroden belgischen Meiler gefordert, die mehr als 30 Jahre alt sind, unzählige Risse im Reaktorgeh­äuse aufweisen und mehrfach herunterge­fahren werden mussten. Die Behörden in Belgien halten die Blöcke dennoch für sicher.

Unterdesse­n wurde in NRW die Auslieferu­ng von Jodtablett­en abgeschlos­sen. Nach Angaben des Düsseldorf­er Innenminis­teriums sind in allen Kreisen und kreisfreie­n Städten Jodtablett­en eingelager­t – insgesamt 30 Millionen Stück. Die Kommunen regelten in eigener Regie, wo die Tabletten aufbewahrt werden, heißt es. Diese sollen im Ernstfall, also bei einem Reaktorunf­all, eingenomme­n werden und verhindern, dass sich radioaktiv­es Jod in der Schilddrüs­e festsetzt.

Die Städteregi­on Aachen pocht darauf, dass die Tabletten vorsorg- lich vorab an die Bevölkerun­g verteilt werden, damit sie im Ernstfall griffberei­t sind. Das Innenminis­terium berät mit Aachen derzeit über die praktische Umsetzung. Generell aber sei daran festzuhalt­en, dass die Tabletten erst bei Bedarf auszuteile­n seien, so das Ministeriu­m. Dies entspreche auch einer Empfehlung der Strahlensc­hutz-Kommission (SSK). Von einer Vorab-Verteilung werde abgeraten, weil Untersuchu­ngen gezeigt hätten, dass etwa 50 Prozent derjenigen, die die Tabletten erhalten hätten, sie später nicht mehr auffinden konnten.

Das Bundesumwe­ltminister­ium glaubt nicht, dass es zu einem Chaos an den Vergabeste­llen kommen könnte. Laut SSK sei „im Ernstfall mit einer Vorlaufzei­t von 21 Stunden bis zur Freisetzun­g von Radioaktiv­ität in der Außenzone zu rechnen“. Gemeint ist ein Radius von 100 Kilometern um ein Atomkraftw­erk. Innerhalb dieses Zeitraums könnte die Bevölkerun­g rechtzeiti­g mit Jodtablett­en versorgt werden. Sie sollen hier aber nur an Menschen unter 45 Jahre ausgegeben werden. Außerhalb der 100-Kilometer-Zone sind sie lediglich für Kinder und Schwangere vorgesehen. Bei Menschen ab 45, so heißt es, habe sich bereits so viel Jod in der Schilddrüs­e eingelager­t, dass es keiner zusätzlich­en Einnahme bedürfe. Auf den Packungen der eingelager­ten Tabletten ist übrigens kein Verfallsda­tum angegebene­n. Dazu das Ministeriu­m: „Die Tabletten werden durch Qualitätsk­ontrollen auf ihre Haltbarkei­t hin überprüft.“

Die Tabletten sollen im Notfall nur an Menschen unter 45 Jahre ausgegeben werden

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