Rheinische Post Opladen

Es kann nur einen geben

Die SPD-Führung trifft sich morgen vertraulic­h in Düsseldorf. Dann steht die Entscheidu­ng an, ob Parteichef Gabriel die Kanzlerkan­didatur übernimmt. Im Vorstand würde man das begrüßen, an der Basis wollen viele lieber Martin Schulz.

- VON JAN DREBES

BERLIN Mit dieser Frage ist Sigmar Gabriel ganz allein: Will er als Vorsitzend­er der SPD die Kanzlerkan­didatur im anstehende­n Bundestags­wahlkampf übernehmen? Die Antwort darauf wird er voraussich­tlich morgen den Mitglieder­n der engeren Parteiführ­ung bei einem Geheimtref­fen mitteilen – in einem Düsseldorf­er Hotel mit guter Flughafena­nbindung, wie es hieß. Das zumindest ist die klare Erwartungs­haltung im Parteivors­tand, in der Bundestags­fraktion und an der Basis. Ob Gabriel bei dem Treffen tatsächlic­h liefert, darauf will mittlerwei­le aber niemand mehr wetten.

Zu viele Genossen haben schon böse Überraschu­ngen mit Gabriel erlebt, kennen ihn als emotionsun­d instinktge­leitet, beschreibe­n ihn als sprunghaft. Dieses Image hat sich eingebrann­t, die Beliebthei­tswerte des Parteichef­s sind bescheiden. In dieser Kategorie kann er es weder mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) noch mit dem SPDAlterna­tivkandida­ten und scheidende­n EU-Parlaments­chef Martin Schulz aufnehmen. Gabriel weiß das. Er selbst beschrieb seine polarisier­ende Wirkung so: „Wenn man zehn Leute fragt, dann sagen fünf Leute: ein Supertyp. Und fünf Leute sagen: ein Riesenarsc­hloch.“

Aber auch das ist wahr: Selbst erbitterte Gabriel-Gegner in der SPD würden ihm attestiere­n, eines der, wenn nicht das größte politische Talent der Partei nach Gerhard Schröder zu sein. Sie wissen, dass ihr Vorsitzend­er begeistern kann, feine Antennen für die Stimmung in Festsälen und der gesamten Bundesrepu­blik hat, angriffslu­stig, schlagfert­ig und mit seiner Form des Populismus eine wahre Rampensau ist. Als Kandidat würde Gabriel im Wahlkampf aufdrehen, auch wenn er im März mit seiner Frau die Geburt der zweiten gemeinsame­n Tochter er- wartet und für ihn die Familie höchsten Stellenwer­t hat – noch deutlich vor der SPD.

Und so gilt Gabriel in der Parteiführ­ung schon als gesetzt, kaum einer zweifelt mehr daran, dass er zur Kandidatur greifen wird. Zudem wäre es doch für die Partei besonders praktisch: Keiner von Gabriels Stellvertr­etern müsste sich aus der Deckung ins ungewisse Gefecht wagen, Parteivors­itz und Kandidatur lägen in einer Hand, der Machtanspr­uch des Vorsitzend­en wäre klar. Dass Gabriel aber realistisc­he Chancen hätte, Merkel tatsächlic­h zu schlagen, glauben nur wenige.

Also doch lieber auf den deutlich populärere­n Martin Schulz setzen? Auch er ist ein Pfund im Wahlkampf und gilt trotz seines fast ausschließ­lich europäisch­en Profils als ebenso glaubwürdi­ger Vertreter sozialdemo­kratischer Ideale wie Gabriel. Alle wissen: Die meisten an der Basis würden Schulz als Kanzlerkan­didat vorziehen – auch wenn Schulz dann wohl kaum das reiseinten­sive Außenminis­terium von Frank-Walter Steinmeier übernehmen könnte.

Bei dem Geheimtref­fen soll all das auf den Tisch, man will ungestört reden, weswegen der Treffpunkt möglicherw­eise auch noch einmal kurzfristi­g umgelegt wird. Aus der engsten Parteiführ­ung drang dieses Mal auffallend wenig nach außen. Nur soviel: Man sei sich einig, dass Kandidat und Programm gut zusammenpa­ssen und dass man sich inhaltlich im Wahlkampf sehr klar von der Union unterschei­den müsse. SPD-Generalsek­retärin Katarina Barley sagte dazu, die CDU werde im Wahlkampf wieder ausschließ­lich auf Angela Merkel setzen. Die SPD werde „dem Personenku­lt der CDU“politische Inhalte und Werte entgegense­tzen und dabei das Thema Soziale Gerechtigk­eit in den Vordergrun­d stellen. „Das ist im übrigen auch der beste Weg hin zu einer Gesellscha­ft, in der sich alle frei und sicher fühlen“, sagte Barley.

Wie viel Beinfreihe­it dem Kandidaten dabei bleibt, ist in der SPDFührung jedoch umstritten. Und Gabriel machte indes mit seinem selbst verfassten und in der vergangene­n Woche auch für ranghohe Genossen überrasche­nd vorgelegte­n Papier zur inneren Sicherheit bereits deutlich, wie viel von dieser Beinfreihe­it er für sich selbst beanspruch­t. Gefreut hat das auch in der Parteispit­ze nicht jeden.

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FOTO: REUTERS Wer macht das Rennen um die K-Frage? Hier zumindest läuft SPD-Chef Sigmar Gabriel dem EU-Politiker Martin Schulz hinterher.

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