Handballer genießen ihre Rolle als Mitfavorit
Das Jahr 2016 hat die Nationalmannschaft zurück in den Blickpunkt gebracht. Eine Medaille ist das Ziel bei der WM in Frankreich.
DÜSSELDORF Das vergangene Jahr hat den deutschen Handballfans viel Freude bereitet. Die Männer um Trainer Dagur Sigurdsson spielten sich bei der EM in Polen in einen Rausch und kehrten am Ende als Überraschungs-Europameister zurück. Im August bei den Olympischen Spielen bewiesen die Profis, dass sie auf Dauer an der Weltspitze kratzen, vielleicht sogar dazugehören können. Hätte die Mannschaft im Halbfinale gegen Frankreich die ersten 40 Minuten nicht verschlafen und in der Schlusssekunde rigoroser gegen Daniel Narcisse, der die Niederlage besiegelte, zugepackt, wäre vielleicht mehr als die Bronzemedaille möglich gewesen.
Aber auch die zuletzt kaum beobachteten Frauen überzeugten mit Platz sechs bei der EM in Schweden. Ihr neuer Bundestrainer Michael Biegler, zuvor erfolgreich im Männerbereich aktiv, macht keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Er fordert und fördert seine „Ladys“, denen er den Spaß am Spiel, aber auch den Erfolg zurückbrachte. „Der Sport, den wir betreiben, heißt Handball – egal, ob er von Frauen oder Männern gespielt wird“, sagt Biegler.
Nun aber gehört der Fokus den Männern. Heute Abend (19 Uhr/ live bei Sky Sport News HD) steht in Kassel die WM-Generalprobe gegen Österreich auf dem Programm. Übermorgen geht es dann per Bus nach Rouen. Am Freitag (17.45 Uhr) beginnt die Gruppenphase mit dem vielleicht schon richtungsweisenden Spiel gegen Ungarn.
„Ich will Europameister werden“, sagte Andreas Wolff im Vorfeld der EM. Der Torhüter, der sich gerade erst einen Stammplatz im Kader erkämpft hatte, wurde durchaus belächelt. Dann aber sorgte er tatkräftig dafür, dass die Skeptiker zu Fans wurden, deren Zahl auf dem Weg zum Titelgewinn immer größer wurde.
„Ich will Weltmeister werden“, sagte Andreas Wolff während der Vorbereitung auf das Turnier in Frankreich. Diesmal lächelte niemand mitleidig über den im Sommer von Wetzlar nach Kiel gewechselten Torhüter. Gut acht Monate reichten den Spielern und ihrem Trainer Sigurdsson, der nach der WM die japanische Nationalmannschaft übernehmen wird, aus, sich Respekt zu verschaffen. „Das haben wir uns mit harter Arbeit verdient, und das ist gut so“, sagt der Isländer.
Darin, dass man nun nicht mehr als chancenreicher Außenseiter, sondern als Medaillenanwärter zu einer WM reist, sieht der seit September 2014 für den Deutschen Handballbund (DHB) arbeitende Sigurdsson kein Problem. „Mit Druck, Herausforderungen und hohen Erwartungen können wir umgehen“, betont der Erfolgstrainer. „Das kennen die Spieler doch aus ihrem Alltag in der Bundesliga oder der Champions League.“Auch da sei man mal der Favorit, dann auf Augenhöhe und dann wieder der Außenseiter. „Diese Rollen wechseln innerhalb eines Turniers ja auch. So war es bei der EM für uns“, sagt der 43-Jährige.
Seine Spieler genießen die neue Rolle – selbstbewusst und mit Bodenhaftung. Für zwei wird die WM schon beendet sein, ehe sie anfängt. Sigurdsson muss seinen Kader noch von 18 auf 16 Akteure reduzieren.