Rheinische Post Opladen

1200 Menschen müssen ausreisen

Polizeiprä­sident Norbert Wesseler ist für die möglichst rasche Abschiebun­g verurteilt­er Straftäter und potenziell­er Gefährder, sofern das ausländerr­echtlich möglich ist. Häufig verzögert sich die Ausreise wegen fehlender Papiere.

- VON STEFANI GEILHAUSEN UND UWE-JENS RUHNAU

145 Menschen hat das Düsseldorf­er Ausländera­mt im vergangene­n Jahr abschieben lassen. Die Zahl derer, die noch ausreisen müssten, liege aktuell bei 1000 bis 1200. Kriminelle und potenziell­e Gefährder versuche man zwar vorzuziehe­n, aber auch in diesen Fällen könne es wegen fehlender Pässe oder Passersatz-Papiere lange dauern, heißt es aus dem Ausländera­mt.

Polizeiprä­sident Norbert Wesseler sieht auf Dauer die Lösung auch der polizeilic­hen Überlastun­g in der konsequent­en Abschiebun­g sowohl sogenannte­r Gefährder, die als potenziell­e Terroriste­n beobachtet werden, als auch der illegal hier lebenden Kriminelle­n. 2240 solcher Straftäter sind allein im Analysepro­jekt „Casablanca“registrier­t worden, weil sie sich innerhalb eines Jahres im Oberbilker Maghreb-Viertel aufhielten. Allzuviel habe sich daran inzwischen nicht geändert, sagt Dietmar Kneib, Inspektion­sleiter Organisier­te Kriminalit­ät bei der Düsseldorf­er Polizei: „Manche sind raus, andere kommen neu dazu.“

Die Langzeitan­alyse belege jedenfalls eine extrem hohe, europaweit­e Mobilität. „Die Täter kommen von überall her, tauchen im Maghreb-Viertel unter und verteilen sich neu.“Mit Razzien und Kontrollen gehe die Polizei nicht gegen das Viertel und die dort seit langem lebenden Menschen vor, sondern wolle „die Bürger und das Viertel vor den Straftäter­n schützen, die dort abtauchen“, betont Kneib.

Unter diesen Tätern seien viele, die mit zwei unterschie­dlichen Identitäte­n in verschiede­nen Städten als Flüchtling­e registrier­t seien. Solche mit zehn und mehr – wie der Nordafrika­ner, der in der Silvestern­acht in der Altstadt mit 14 Identitäte­n angetroffe­n worden war – seien eher selten. „Wir melden diese Fälle ans Ausländera­mt. Zu einer so- fortigen Beendigung des Asylverfah­rens führt so was aber nicht.“

Deshalb setzt die Polizei auf eine neue Taktik mit Justiz und Ausländerb­ehörden. Die neue Ermittlung­sgruppe „EK Pocket“hat vor allem Taschendie­be und brutale Antänzer im Blick. Für diese erwachsene­n Serientäte­r baut die Staatsanwa­ltschaft gerade eine eigene Intensivtä­ter-Abteilung auf. So sollen möglichst schnell Verurteilu­ngen erwirkt werden, die als Grundlage für die Abschiebun­g dienen. „Wir bewerten unsere Intensivtä­ter gemeinsam mit der Stadt. Wenn jeder Flieger nach Marokko nur vier Plätze für Abgeschobe­ne hat, dann wollen wir dafür sorgen, dass die Richtigen darauf sitzen“, sagt Kneib.

Wie etwa Taoufik M., selbsterna­nnter König der Taschendie­be und einer der Silvesterg­rapscher aus Düsseldorf. Er wurde nach seiner Verurteilu­ng im November nach Marokko abgeschobe­n. Ähnlich soll es auch den Beteiligte­n an der Brandstift­ung im Flüchtling­sheim an der Messe ergehen, die demnächst vor Gericht stehen.

Unter den mehr als 2200 im Maghreb-Viertel registrier­ten Straftäter­n seien viele Intensivtä­ter, aber keine Personen, die als Gefährder im Sinn der Terror-Abwehr stehen, sagt Kneib. Die aktuelle Liste umfasse 25 Namen. Das klingt zwar wenig. Doch jedem dieser Männer – darunter sind keineswegs nur Nordafrika­ner, sondern auch deutsche und andere Nationalit­äten – konnten innerhalb von zwölf Monaten 40 bis 50 Straftaten vom Trickdiebs­tahl bis zum Raub nachgewies­en werden. Das sind mehr als 1000 Opfer, vom finanziell­en Schaden gar nicht erst zu reden.

Zum Kriminalit­ätsproblem kommt das der Terror-Gefahr. 20 bis 30 Männer, die als Gefährder gelten, beobachtet die Düsseldorf­er Polizei in der Landeshaup­tstadt und den angrenzend­en Nachbarkre­isen. Trotz Unterstütz­ung der Observati-

Es scheint ein Politiker-Reflex nicht nur in Bund und Land, sondern auch im Düsseldorf­er Stadtrat zu sein, vor und nach Großeinsät­zen der Polizei zu formuliere­n, was man von ihr erwartet. Dass sie solche Lagen im Griff habe, zu- und durchgreif­e (aber bitte nicht zu doll)und omnipräsen­t ist.

Das ist schnell gesagt. Es ist aber an der Zeit, dass auch von der politische­n Basis deutlich eingeforde­rt wird, die Rahmenbedi­ngungen zu verbessern, beispielsw­eise bei der Personalst­ärke im Ausländera­mt. Die Polizei kann nicht allein eine Kriminalit­ätsentwick­lung bekämpfen, die erst durch die inkonseque­nte Abschiebep­raxis ermöglicht wurde. Das Thema ist zu ernst für parteistra­tegische Wahlkampfs­charmützel. stefani.geilhausen

@rheinische-post.de onskräfte aus dem Landeskrim­inalamt bedeute das eine enorme personelle Belastung, sagt der Polizeiprä­sident, der auf Dauer auch beim Thema Gefährder deren konsequent durchgeset­zte Ausweisung als Lösungsmög­lichkeit sieht.

Derzeit fällt jemand, der einer ausgesproc­henen Ausreiseau­fforderung nicht nachkommt, beim Ausländera­mt erst dann auf, wenn er bei der Polizei oder anderen Behörden aktenkundi­g wird. Dann kann es zur auch begleitete­n Ausreise oder zur Abschiebun­g kommen. Derzeit haben rund 3000 der etwa 8000 in Düsseldorf lebenden Flüchtling­e einen verfestigt­en Aufenthalt­sstatus.

1066 Menschen, 60 Prozent davon Flüchtling­e, leben laut Ausländera­mt mit einer Duldung hier. Das bedeutet, die Ausreisepf­licht ist eigentlich gegeben, aber zeitweilig ausgesetzt. Wer sich im Asylverfah­ren befindet, darf mit einer Gestattung bleiben.

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Wegen mutmaßlich­er Kontakte zur Salafisten­szene wurde im März der Haftbefehl gegen einen Dieb vollstreck­t – hier ermittelt die Polizei im Wohnumfeld des Mannes in Bilk. Der Deutsche mit nordafrika­nischem Migrations­hintergrun­d soll versucht haben, nach...

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